Die Aufgabe, die dem neuen Churer Bischof Joseph Bonnemain gestellt wurde, war nicht einfach: Er sollte die tiefen Gräben im Bistum Chur zuschütten, die konservative Vorgänger wie Vitus Huonder hinterlassen hatten. Mit der Weihe vor einem Jahr wurde Bonnemain also zum Bischof, der das Bistum wieder einen sollte, zum Brückenbauer, der den Kontakt mit den liberalen Strömungen in der Katholischen Kirche nicht scheuen, sondern pflegen sollte.
Zürich wünscht sich inhaltliche Veränderungen
Dieser Aufgabe sei Bischof Bonnemain teilweise gerecht geworden, heisst es aus dem progressiven Kanton Zürich. Franziska Driessen-Reding ist als Präsidentin des Synodalrats die höchste Zürcher Katholikin und sagt, dass mit Joseph Bonnemain eine neue Zeit begonnen habe. «Wir haben jetzt einen Bischof, der sich nicht mehr versteckt hinter dicken Mauern in seinem Schloss in Chur», sagt sie. Bonnemain sei zugänglich und gesprächsbereit. «Früher fand kein Austausch statt», sagt Driessen-Reding weiter. «Jetzt ist der Bischof präsent.»
Die katholische Kirche hofft aber nicht nur auf menschliche, sondern auch auf inhaltliche Zeichen. Gerade bei der Anerkennung von Homosexuellen, der Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren oder der Frauenfrage müsse der Bischof mutiger agieren. «Mit 73 Jahren hat er nicht mehr viel zu verlieren», so Driessen-Reding. «Ich stehe ein für eine Kirche, die nicht diskriminiert, und wünsche mir das vom Bischof auch.»
Wichtige Weichen gestellt wurden gemäss Driessen-Reding in der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe in der Katholischen Kirche. «Ohne Joseph Bonnemain wären wir nicht dort, wo wir heute sind», sagt die höchste Zürcher Katholikin.
Interview mit SRF-Religionsredaktorin Nicole Freudiger
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SRF News: Nicole Freudiger, wie würden Sie das erste Jahr von Joseph Bonnemain zusammenfassen?
Ich glaube, man kann sagen, dass die Zusammenarbeit mit dem neuen Bischof zwischenmenschlich funktioniert. Inhaltlich aber gibt es immer noch einen Graben zwischen den mehrheitlich liberalen Zürcher Katholikinnen und Katholiken und dem doch eher konservativen Bischof.
Bevor wir die inhaltlichen Differenzen thematisieren, bleiben wir noch kurz bei der Person Joseph Bonnemain. Wo liegen die grossen Unterschiede zwischen ihm und seinem Vorgänger Vitus Huonder?
Bischof Bonnemain hat ein ehrliches Interesse daran, ein Bischof für alle Gläubigen im Bistum Chur zu sein. Das betont er auch immer wieder. Sein Vorgänger Vitus Huonder hat die Existenzberechtigung der Kantonalkirchen immer wieder infrage gestellt, er hat sie als Rivalinnen und Gegnerinnen angesehen. Das ist bei Joseph Bonnemain anders, er steht ganz klar hinter dem dualen System in der Schweiz.
Es gibt also eine bessere Atmosphäre. Gibt es auch inhaltliche Neuerungen?
Ja. Er hat zum Beispiel Frauen und verheirateten Männern erlaubt, dass sie Kinder taufen und Ehepaare trauen dürfen. Das sind sogenannte Laien-Theologinnen und -Theologen, die keine Weihe haben und streng nach den Regeln der römisch-katholischen Kirche eigentlich nicht taufen und trauen dürften. Hier hat Joseph Bonnemain also eine Öffnung vollzogen. Aber man muss sagen: An vielen Orten in der Schweiz wird das schon so praktiziert. Es hat also ein bisschen Veränderung gegeben, auch in der Personalpolitik des Bischofs.
Wie sieht die Handschrift des Bischofs dort denn aus?
Er hat zum Beispiel zwei Frauen in den Bischofsrat geholt und eine dritte zur Medienchefin gemacht. Das ist natürlich Symbolpolitik, aber das Symbol ist: Frauen sollen im Bistum auch etwas zu sagen haben. Und dann gibt es im Domkapitel, das ist das Gremium, das den Bischof wählt, neue, jüngere, und vielleicht auch liberalere Mitglieder. Traditionalisten sind nicht mehr in der Mehrheit, aber natürlich nicht verschwunden. Im Domkapitel sitzen immer noch sehr konservative Leute.
Kann man sagen, Nicole Freudiger, dass Joseph Bonnemain etwas frischen Wind ins Bistum Chur gebracht hat?
Ich würde sagen, eine leichte Brise, aber sicher kein Sturm. Joseph Bonnemain ist zugänglicher, betont immer wieder, dass der Mensch im Zentrum steht. Wenn es aber um die zentralen Themen geht, die den Katholikinnen und Katholiken im Bistum unter den Nägeln brennen, dann gibt es vom Bischof nur selten klare Aussagen. Er ist ein Meister im Ausweichen.
Was sind denn die zentralen Themen?
Es hat vor kurzem eine Umfrage gegeben und dort haben die Katholikinnen und Katholiken im Bistum Chur ganz klar gesagt, sie wollen eine offene Kirche, die alle Menschen gleichbehandelt, egal ob Mann oder Frau, hetero- oder homosexuell, verheiratet oder geschieden. Und da zeigt sich bei Joseph Bonnemain auch die konservative Seite. Er hat sich zum Biespiel gegen die «Ehe für alle» ausgesprochen. Er hat die grosse Aktion auf dem Zürcher Platzspitz, wo homosexuelle Paare gesegnet wurden, als Provokation bezeichnet und er weicht bei grossen Fragen nach mehr Gleichberechtigung von Frauen regelmässig aus oder sagt, das müsse im Vatikan entschieden werden und das stimmt natürlich. Aber man könnte sich als Bischof auch dezidiert und laut dafür einsetzen, dass sich da etwas ändert und solche Signale, solch klare Aussagen hat es vom Bischof Joseph Bonnemain in seinem ersten Jahr nicht gegeben und ich gehe auch nicht davon aus, dass sich das ändert.
Fazit: Die Atmosphäre mit den Zürcher Katholikinnen und Katholiken ist besser, die inhaltlichen Differenzen bleiben. Kommt das gut in Zukunft?
Es kommt insofern gut, als die Zusammenarbeit zwischen den Kantonalkirchen und dem Bischof klappt. Aber wenn es um die Gläubigen, um die einzelnen Katholikinnen und Katholiken geht, dann kann man sich schon fragen: Reicht diese Symbolpolitik und das Interesse am Menschen, die Joseph Bonnemain an den Tag legt? Oder bräuchte es doch strukturelle Veränderungen, um die Katholikinnen und Katholiken bei der Stange und eben in der Kirche zu behalten?
Gemeint ist damit ein neuer Verhaltenskodex in der katholischen Kirche – also klar definierte Verhaltensregeln, um Macht- und sexuellen Missbrauch zu verhindern. Für die Katholische Kirche im Kanton Zürich wäre es ein grosser Schritt, wenn Bischof Bonnemain diesen Kodex unterzeichnen würde.
Lob aus Schwyz und Graubünden
Die kritische Haltung des Kantons Zürich wird nicht überall geteilt. Lorenz Bösch, Präsident der katholischen Kantonalkirche Schwyz, spricht von markanten Veränderungen. «Der Ton ist ein anderer geworden. Es ist ein Dialog, der Bischof hört zu und bringt sich ein.»
Es habe sich aber nicht nur das Klima massiv verbessert, sagt Thomas M. Bergamin, Präsident der katholischen Landeskirche Graubünden. Auch beim Thema Frauen sei im Bistum einiges gegangen. So habe der Bischof etwa zum ersten Mal Frauen in die Geschäftsleitung berufen und eine Frau zur Medienchefin ernannt.
Wer glaube, mit einem neuen Bischof würden alle Probleme gelöst, die sich über Jahre angestaut hätten, habe aber eine falsche Erwartungshaltung, so Bergamin weiter. «Der Karren wurde so lange in den Dreck gezogen, bis über die Radnabe», sagt er – da könne der Bischof nun nicht einfach einmal daran ziehen und alles sei wieder in Ordnung.
Bonnemain geht den eigenen, progressiven Weg
Bischof Bonnemain selbst findet, die Gräben zwischen Konservativen und Reformern im Bistum Chur seien weniger tief. Es gebe aber noch viel zu tun. Ob er dafür eine progressivere Richtung ansteuert, lässt Bonnemain offen. «Es tönt vielleicht progressiv, wenn man heutzutage einfach alles absegnet. Aber das ist auch sehr bequem, weil man dann das macht, was alle erwarten. Zu differenzieren und jeden Einzelfall genau anzuschauen, das braucht jedoch auch Mut und ist vielleicht sogar progressiver als zu allem ja zu sagen.»
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