Die Bevölkerungszahl in der Schweiz wächst Jahr für Jahr. Fast überall. Neuenburg ist einer der wenigen Kantone, die 2019 erneut Einwohner verloren haben.
Geht es nach dem Willen der Regierung, sollen in der Stadt oder im Kanton möglichst viele Leute aussteigen und bleiben. Einer, der dazu beitragen soll, dass die Einwohnerzahl des Kantons wieder ansteigt, ist Roland Nötzel.
Seit letztem Herbst ist er von der Regierung als sogenannter Delegierte für Domizilierung angestellt. Oder wie er seine Aufgabe beschreibt: «Bei meinem Job geht es darum, den Kanton Neuenburg in ein besseres Licht zu rücken.»
Hohe Steuern, interne Spannungen
Der Ruf des Kantons hatte in den letzten Jahren gelitten. Hohe Steuern, finanzielle Probleme, interne politische Spannungen. Vieles stimme allerdings mittlerweile so nicht mehr. Ein zentraler Punkt sei sicher die Steuerreform, sagt Roland Nötzel.
Neuenburg hat mit 13.4 Prozent nun die attraktivsten Unternehmenssteuern der Westschweiz und die sechsttiefsten der Schweiz. Vor allem aber wird Neuenburg mit der Reform den letzten Platz bei der Besteuerung natürlicher Personen abgeben. Ein Steuerparadies werde Neuenburg zwar nie, sagt Nötzel.
In Zukunft stehe Neuenburg in den meisten Einkommensklassen aber besser da als Genf oder die Waadt und falle auch nicht mehr so stark ab im Vergleich mit Freiburg oder Bern. Kantone, wohin vor allem Familien abgewandert sind. «Deshalb ist diese Steuerreform umso wichtiger, damit dieses Steuerthema nicht mehr so im Zentrum steht.» Andere Themen, die genauso wichtig oder sogar wichtiger sind für die Attraktivität der Region seien, sollten wieder präsenter werden, so Nötzel.
Zu den wichtigen Veränderungen für den Kanton gehört auch die geplante direkte Bahnverbindung zwischen Neuenburg und La Chaux-de-Fonds. Mithilfe von Bundesgeldern wird diese nun im Rahmen des Bahnausbauschritts 2035 realisiert. Die Reisezeit wird sich um die Hälfte auf eine knappe Viertelstunde verkürzen.
Nötzel ist überzeugt, dass die Direktverbindung dazu beitragen werde, die ewige Rivalität zwischen der eher reichen, bürgerlichen Bevölkerung unten am See und den mehrheitlich ärmeren Arbeitern oben auf der Jurahöhe zu lindern. «Es gibt nachher nur noch eine Region.»
«Das Jobwunder von Neuenburg»
Innenpolitische Spannungen kann sich der Kanton, wenn er konkurrenzfähig sein will, nicht mehr leisten. Eine gewisse Aufbruchstimmung ist bereits jetzt zu spüren. «Das Jobwunder von Neuenburg» titelte die «NZZ» letzten Sommer.
Tatsächlich liegt die Arbeitslosigkeit in Neuenburg mit 3.7 Prozent nur noch knapp über dem schweizerischen Durchschnitt. Noch vor ein paar Jahren war sie mit fast 9 Prozent doppelt oder in gewissen Regionen sogar dreifach so hoch. Und die Regierung hat für 2020 ein Budget präsentiert, das zum ersten Mal seit 1957 einen Überschuss vorsieht.
Positives Selbstbild vermitteln
Vieles ist aufgegleist, damit Neuenburg aus der Negativspirale herauskommt. Jetzt müssten es nur noch die Leute merken, sagt Nötzel. «Neuenburg kann seine Region durchaus ein bisschen positiver anschauen. Das ist wie bei Menschen: wenn ein Mensch kein positives Selbstbild hat, kann er gegen aussen auch keine Lebensfreude ausstrahlen. Und den Neuenburgern geht es genau gleich.»
Ziel ist, dass Neuenburg dieses Jahr nicht zum vierten Mal in Folge mehr Abwanderung als Zuwanderung hat.
Rendez-Vous, 6.2.2020, 12:30 Uhr