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Eine nationale Tragödie Als der Weisse Tod Andermatt heimsuchte

Im Januar 1951 forderten Lawinen in der Schweiz fast 100 Tote. Im Urner Dorf kam es zu einer Katastrophe, die bis heute nachhallt.

Junge Frauen, Männer, Kinder. Unterschiedslos riss eine schreckliche Lawine am 20. Januar 1951 13 Menschen aus dem Leben. Die ersten Berichte über das Drama im Urner Bergdorf liessen Schockwellen durchs Land ziehen.

Die Schneemassen donnerten mitten durch Andermatt. Die Bilder der «Schweizer Filmwochenschau» liessen erahnen, welche Naturgewalt das abgeschiedene Dorf heimgesucht hatte.

Die Angst ist immer noch in mir drin. Wenn es so richtig schneit und wüst ist, kommt alles wieder hoch.
Autor: Berty Meyer Augenzeugin des Unglücks

«Wohnhäuser sind zertrümmert, ein Hotelbau zerstört und mit Schnee bis in alle Ritzen vollgepresst», kommentierte der Sprecher der «Filmwochenschau» die Bilder der Zerstörung. Bei denen, die die Tragödie überlebten, haben sich die Schrecken von damals bis heute in die Erinnerung eingebrannt.

«Die Angst ist immer noch in mir drin. Wenn es so richtig schneit und wüst ist, kommt alles wieder hoch», erinnert sich Berty Meyer. Die pensionierte Bäuerin erlebte die Tragödie als Kind. Die Lawine zerstörte das Haus, in dem sie damals lebte, und damit ihr ganzes Hab und Gut.

Das Mädchen überlebte, weil es zum Zeitpunkt des Unglücks draussen war. «Ich wollte meinen Mantel aus dem Haus holen, aber alles war voller Schnee. Ich lag nur noch da und habe geweint», blickt Meyer zurück.

Niemand sah die Katastrophe kommen

Auch Alfred Russi war noch ein Kind, als die Schneemassen über Andermatt hereinbrachen. Als er von der Lawine hörte, folgte er den Rettungskräften und gelangte zu einer Brücke beim Dorf. «Ich dachte, ich träume. Oberhalb der Wiese war ein riesiger Lawinenkegel, den man so niemals erwartet hatte. Seit Menschengedenken hatte es dort keine Lawine gegeben.»

Obwohl Andermatt als sicher galt, hatten die Behörden vor dem Lawinenniedergang einen Teil der Bevölkerung evakuiert. Dies wegen historisch starker Schneefälle, die in diesen Tagen auf der Alpennordseite niedergingen.

Vor dem Unglück schneite es vielerorts tagelang, ununterbrochen. Auch in Andermatt türmte sich der Schnee bis zu zwei Meter hoch. Vom 19. bis 22. Januar 1951 gingen im schweizerischen Alpenraum über 1000 Schadlawinen ab, in diesen starben 75 Menschen. Bis zum Ende des Monats forderten die Schneemassen fast 100 Opfer.

Wir haben gehofft, dass wir Menschen herausholen können. Aber nach den ersten Toten wusste wir, dass das kaum mehr möglich war.»
Autor: Josef Hohl Helfer am Unglücksort

In Andermatt lebt man seit Urzeiten mit Lawinen. Die zerstörerische Kraft der Natur prägt des Leben bis heute. Doch für die Gemeinde war der 20. Januar 1951 ein einschneidender Tag. Alfred Russi war als Ministrant bei der Trauerfeier dabei: «Ich stand neben dem Pfarrer und erlebte die gewaltige Trauer hautnah. Als 13-Jähriger konnte ich das alles aber gar nicht richtig erfassen.»

Zivilisten und die Armee unterstützten einander bei den Rettungsarbeiten. Die Verschütteten hatten kaum eine Chance. Und doch gelang es, einige wenige Menschen lebend zu bergen. Einer der freiwilligen Helfer war Josef Hohl, ein pensionierter Skilehrer.

Die Schweiz trauert mit Andermatt

Der Andermatter erlebte als 24-Jähriger, wie die Naturkatastrophe die Menschen zusammenschweisste. «Wir haben gehofft, dass wir Menschen herausholen können. Aber nach den ersten Toten wusste wir, dass das kaum mehr möglich war.»

Niemand habe gefragt, ob ein Kollege oder Angehöriger unter der Lawine begraben liege, erinnert sich Hohl. Es sei einfach darum gegangen, so viele Verschüttete wie möglich zu retten.

Die ganze Schweiz trauerte an der Seite von Andermatt um die Toten. Die Filmwochenschau berichtete in einer Sonderausgabe über die nationale Tragödie. Der Katastrophenwinter 1950/51 dauerte bis weit in den Februar, weitere Menschen sollten sterben, die Sachschäden waren enorm.

In den Jahren danach wurden im gesamten Schweizer Alpenraum der Ausbau von Lawinenverbauungen und die Kartierung von Gefahrenzonen massiv vorangetrieben. Die Tragödie von Andermatt war auch ein Weckruf.

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