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Einmaliges Kulturerbe Private Afghanistan-Bibliothek geht an die Universität Basel

Lebenswerk gesichert: 300 Laufmeter einzigartige Schriftstücke und 70'000 Bilder dokumentieren eine einst offene Kultur.

Die Universität Basel hat ein ebenso wertvolles wie rares Geschenk erhalten: den gesamten Bestand der Stiftung Bibliotheca Afghanica. Diese weltweit einmalige Sammlung von Zeitzeugnissen der afghanischen Kultur wird damit aus dem Baselbieter Ort Bubendorf in den nächsten sechs bis acht Jahren in die Bestände der Universitätsbibliothek (UB) nach Basel überführt.

Paul Bucherer
Legende: Sammlungsgründer Paul Bucherer 2007 mit Exponaten des temporären Afghanistan-Museums im Bubendörfer Exil nach deren Rückführung in Kabul Keystone / AP / Musadeq Sadeq

In Basel hatten Paul und Veronika Bucherer-Dietschi einst ihre private Sammlung gegründet und 1975 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seit 1983 ist sie formell eine Stiftung und steht unter Bundes-Aufsicht. Deren Bestand sei sehr umfassend und bedeute für die UB «mehrere Mannjahre» Arbeit für die Integration und Aufnahme in ihre Kataloge, erklärt Bucherer gegenüber SRF.

Reisen nach Afghanistan ab 1971 hatten die Neugier und Begeisterung der Bucherers geweckt für die reiche Kultur des Landes an der Seidenstrasse, die hierzulande kaum bekannt war. Zu Beginn auf Natur, Kultur und Geschichte spezialisiert, sammelten die beiden in den Jahren nach dem Einmarsch der Sowjetunion 1979 Informationen über den Krieg, die Besetzung und den Widerstand der Bevölkerung.

«Weltweit einzigartige Sammlung»

Laut der Unibibliothek wurde so eine wichtige Phase dokumentiert: In den Publikationen des Widerstands zeige sich auch der Wandel von einem offenen, vom Sufismus geprägten Islam zum Jihadismus der Mudschahid und der Taliban. Tausende Drucke aus dem Widerstand sind in der Sammlung, die laut UB den Wandel zum Extremismus belegen. Es sei eine «weltweit einzigartige Sammlung».

Unesco-Schirmherrschaft für Exil-Museum

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Vitrinen
Legende: Zwei der Vitrinen des temporären Afghanistan-Museums in Bubendorf vor dessen Rückführung nach Kabul (Archivbild 2006) Keystone / Friedel Ammann

Den Ritterschlag hat Bucherers Engagement erhalten, als die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur Unesco 2007 die Schirmherrschaft für die Rückführung des «Afghanistan Museums im Exil» aus Bubendorf nach Kabul übernahm. Dieses Museum beherbergte insbesondere Exponate aus dem Nationalmuseum in Kabul, die vor Bürgerkrieg und Plünderung geschützt werden sollten. Dies geschah auf Anregung der Taliban und mit dem Segen von Konfliktparteien.

Dieses temporäre Museum mit historischen Gegenständen aus Afghanistan hatten die Bucherers 1999 bis 2006 betrieben. Es war eine vorübergehende Ergänzung zu den Schriften und Bildmaterialien der Sammlung. Anders als die Museumsgüter waren die Sammlungsbestände stets im Besitz der Schweizer Stiftung.

Vertrauensvolle Kontakte zu führenden Köpfen von Konfliktparteien führten im Übrigen dazu, dass Paul Bucherer auch als Vermittler tätig war. Auf ihn geht überdies eine auf Wunsch des afghanischen Erziehungsministeriums gestaltete Wanderausstellung mit dem Titel «Türme des Wissens» zurück, die bis heute in Afghanistan zirkuliert und gemäss der Universität Basel dem kriegsversehrten Land ein Stück nationale Identität gibt.

Ich bin letztes Jahr 81 geworden – und keiner lebt ewig.
Autor: Paul Bucherer Mitgründer der Bibliotheca Afghanica

Den Zeitpunkt der Schenkung jetzt erklärt Bucherer mit seinem Alter: «Ich bin letztes Jahr 81 geworden – und keiner lebt ewig.» Der Stiftungsrat habe auf eine langfristige Lösung gedrängt.

Hakimi und Bucherer
Legende: Der in der Schweiz lebende Afghane Zemaray Hakimi und Paul Bucherer erklären 2001 im Afghanistan Institut in Bubendorf Hintergründe der Entwicklung in Afghanistan. Keystone / Markus Stücklin

Die Schenkung an die Uni Basel sei schon vor Jahrzehnten anvisiert worden, sagt Bucherer. Diese führt in der UB eine Bibliotheca Indica, zu der die Afghanistan-Bibliothek bestens passe.

Ein Teil der Sammlung, namentlich Bildmaterialien, bleibe indes vorerst in Bubendorf, weil die UB dafür kein klimatisiertes Bildarchiv habe. In Bubendorf hingegen habe er solche Räume mit konstanten 18 Grad Temperatur und 30 Prozent Luftfeuchtigkeit.

SRF1, Regionaljournal Basel, 13.02.2023, 12:03 Uhr ; 

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