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Einsätze bei Erdbeben Experten stellen Schweizer Rettungskette schlechtes Zeugnis aus

  • Die Rettungskette Schweiz soll bei schweren Erdbeben auf der ganzen Welt zum Einsatz kommen.
  • Externe Fachleute haben die Organisation unter die Lupe genommen und kommen zum Schluss: Sie ist nicht dazu geeignet, Menschenleben zu retten. Der vernichtende Befund lautet deshalb, abschaffen.
  • Die Humanitäre Hilfe des Bundes möchte nicht so weit gehen und hält an der Rettungstruppe fest.

Die Rettungskette Schweiz besteht aus 78 Retterinnen und Rettern, acht Such- und Rettungshunden und 17 Tonnen Material. Damit sollten bei schweren Erdbeben im Ausland Menschen geortet, gerettet und medizinisch versorgt werden. Sollten – denn nun zeigt eine Evaluation von externen Expertinnen und Experten aus Schweden, dass die Rettungskette seit zehn Jahren gar nicht mehr aktiv geworden ist.

Evaluierung der Schweizer Rettungskette

Seit 20 Jahren hat sie kein einziges Menschenleben gerettet. Die Bilanz der Fachleute lautet deshalb: Die Rettungskette ist nutzlos und sollte abgeschafft werden. International würden solche grossen und schwerfälligen Organisationen immer weniger nachgefragt, heisst es in dem Bericht. «Die Evaluation kommt zum Schluss, dass die Schweizer Rettungskette nicht wichtig oder geeignet ist, um in städtischen Gebieten im Ausland Leben zu retten und Leiden zu lindern. Sie ist deshalb nicht relevant und bringt keinen Mehrwert.»

Letzter Einsatz in Fukushima

Manuel Bessler, Chef des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) – dem operationellen Arm der Humanitären Hilfe des Bundes, unter deren Leitung die Rettungskette steht – bestätigt, dass es zunehmend schwierig werde, die Rettungskette aufzubieten. «Obwohl ich mir das verschiedene Male überlegt habe und nahe dran war: Schlussendlich habe ich mich aufgrund der Informationen, die damals zur Verfügung standen, gegen einen Einsatz der ganzen Rettungskette entschieden.» Deshalb war die Tsunami-Katastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011 effektiv der letzte Einsatz der Rettungskräfte.

SKH-Chef Manuel Bessler
Legende: Die Rettungskette Schweiz entstand 1981 unter der Leitung des SKH, mit den Partnern REGA, REDOG und Rettungstruppen. Im Bild: Manuel Bessler, seit 2011 SKH-Chef. Keystone

Ein Instrument wie die Rettungskette Schweiz, das jedes Jahr geschätzte zwei Millionen Franken kostet und gar nie zum Einsatz kommt, das sei kaum sinnvoll, heisst es in der Evaluation weiter. «Das Expertenteam kommt zum Schluss, dass die Kosten für den Erhalt der Rettungskette in keiner Weise in einem vernünftigen Verhältnis stehen zur Zahl der geretteten Menschenleben.» Doch Bessler wehrt sich gegen dieses Fazit.

Inspektion steht bevor

Die Rettungskette sei zum Beispiel wesentlich für die Ausbildung anderer Staaten. So habe man mitgeholfen, die chinesische Rettungskette aufzubauen. «Um glaubhaft als Ausbildner aufzutreten, muss man das Metier selber verstehen.» Die Schweiz sollte sich auf kleinere und flexiblere Einheiten konzentrieren, empfehlen die Autorinnen und Autoren des Berichts. In diese Richtung gehe man bereits, erklärt Bessler. «Wir wollen aber auch weiterhin die Möglichkeit haben, mit der gesamten Rettungskette in einen Einsatz zu gehen.»

Stellungnahme des SKH

Monatelang hat das SKH den Evaluationsbericht geprüft und nun entschieden, die Abschaffung der Rettungskette Schweiz abzulehnen. In diesen Tagen lässt Bessler sie in der Nähe von Genf von internationalen Experten inspizieren, um von der UNO weiterhin als internationale Rettungsorganisation klassifiziert zu werden – für Einsätze, die der Evaluationsbericht für «unwahrscheinlich» hält.

Die Einsätze der Schweizer Rettungskette seit ihrer Gründung vor 40 Jahren:

Jahrzehnt Einsätze Rettungsleute Hunde Gerettete Leben
1980er 8 255 106 41
1990er 11 468 101 34
2000er 5 291 40 8
2010er 2 29 9 -

Info 3, 24.11.2021, 12 Uhr

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