Es ist heiss, schon die ganze Woche. Im Tal und in der Höhe. 5298 Meter. So hoch war die Nullgradgrenze am vergangenen Montag. So hoch wie noch nie seit Messbeginn.
An diesem Tag starb am Allalinhorn ob Saas-Fee auch ein 61-jähriger Alpinist. Grund dafür: Ein Eissturz. Auch in den Berner Alpen verunfallten Bergsteiger wegen Eisstürzen. Ist die Hitze Grund für die Eisabbrüche?
Eisstürze im Hochgebirge sind keine Seltenheit
Nicht nur, sagt Matthias Huss, Professor für Glaziologie an der ETH. Kleinere Gletscherabbrüche wie jener ob Saas-Fee passierten im Hochgebirge ständig. Das Eis eines Gletschers fliesse immer, im Winter sowie im Hochsommer.
Die Hitzewelle war nicht der Grund für den Eissturz, aber ein verstärkender Faktor.
Dass die Gletscher im Sommer mehr in Bewegung sind, sei aber ein Fakt. Es würden mehr Schnee und Eis schmelzen, weshalb die Gletscher instabiler würden. Das aktuell sehr heisse Wetter sei also nicht die Ursache für den Eissturz, aber ein verstärkender Faktor.
Ein Restrisiko für einen Eissturz bestehe also immer. Wer als Bergführer oder Alpinistin ins Hochgebirge gehe, wisse das. Auch vor Ort und mit viel Erfahrung sei es sehr schwierig, einen Eissturz vorauszusehen, so Huss.
Richtiger Umgang mit Gefahrenstellen wichtig
Dem stimmt auch Roman Haltinner zu. Er ist seit über 20 Jahren Bergführer und Präsident des Walliser Bergführerverbandes. In der Ausbildung zum Bergführer lernten sie, potenziell gefährliche Stellen zu erkennen, sagt er. An solche Stellen mache man keine Pausen, man passiere sie zügig.
Auch die Einschätzung auf Platz sei entscheidend. Liegt zum Beispiel bereits viel frisches Eis an einer Stelle, versuche man diese zu umgehen und agiere umso vorsichtiger. Doch auch diese Einschätzungen stimmen nicht immer. Manchmal trüge der Schein auch.
Der Eiszapfen brach ab, nur zehn Minuten nachdem ich ihn für stabil gehalten hatte.
Der Bergführer erinnert sich an eine Situation. Mit einem Gast sei er auf einer Tour an einem grossen Eiszapfen vorbeigegangen. Als der Gast fragte, ob der Zapfen nächstens abbreche, sagte Haltinner er glaube nicht. Sie seien weitergegangen und haben sich zehn Minuten später nochmal umgedreht. In diesem Moment brach der Eiszapfen ab.
«In solchen Momenten merkt man, wie wenig man die Natur einschätzen kann», sagt Haltinner. Was man als Bergführer tun könne, sei die Gruppe richtig zu instruieren und zu führen. Etwa, in dem man die Abstände in der Seilschaft anpasst.
Sperrung von Hochgebirgsrouten nicht möglich
Wäre es nicht sinnvoll, Hochgebirgsrouten zu sperren, wenn Gefahr droht? Dies sei kaum möglich. Es gebe im Hochgebirge keine Wege, die gesperrt werden können, jede und jede müsse die Route auf eigene Verantwortung wählen, sagt der Bergführer.
Zudem sei ein Monitoring von solchen kleinen Eisstürzen kaum möglich. Sie passierten lokal und würden aufgrund ihrer kleinen Reichweite meist niemanden stören. Deshalb könne auch kein sinnvolles Monitoring durchgeführt werden, so der Glaziologe Matthias Huss.
In ferner Zukunft sinkt das Risiko für Eisstürze
Auch für die nahe Zukunft seien Prognosen schwierig: «Aufgrund des Klimawandels befänden sich viele Schweizer Gletscher in einer Übergangsphase, der rasche Rückgang der Gletscher sorgt für viel Veränderung. Gefahrenstellen entstehen und verschwinden schnell», sagt Matthias Huss.
Das mache die Situation mittelfristig noch unberechenbarer. In ferner Zukunft wird mit den Gletschern jedoch auch das Risiko für Eisstürze verschwinden, sagt der Glaziologe. Dafür steigt die Gefahr für Fels- und Bergstürze.