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Eisenbahntunnel der Schweiz Feuer im Tunnel: Wie sicher ist die Bahn im Brandfall?

Die Eisenbahn gilt als sehr sicheres Verkehrsmittel. Aber ein Feuer in einem älteren und langen Tunnel könnte laut Experten zum Problem werden.

Feuer im Zug und Rauch im Tunnel: Ein Horrorszenario, denn schon wenige Atemzüge können tödlich sein. Ein Szenario, welches zwar unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Darum fordern Tunnelexperten mehr, als die SBB und das Bundesamt für Verkehr bis jetzt umgesetzt haben.

«Wenn es darum geht, einen Fluchtweg in einem längeren Tunnel über einen Kilometer sicherzustellen, dann fehlt das eigentlich überall», sagt Hans-Peter Vetsch. Die Gefahr sei, dass es eng ist, Leute stolpern können und sie im Falle eines Brandes nicht in einem rauchfreien Raum seien

Experten äussern Bedenken bei älteren Tunnel

«Die Tunnel kann man nicht als vollständig sicher bezeichnen», ergänzt Heinz Ehrbar. Er und Hans-Peter Vetsch sind seit Jahrzehnten beruflich intensiv mit Tunnelbau und Eisenbahnsicherheit vertraut. Beide waren massgeblich am Bau des Gotthard-Basistunnels beteiligt und beide haben Bedenken, wenn es um die Sicherheit der Bestandstunnel geht, also der älteren Bahntunnel.

Blick in den Eisenbahntunnel in Bewegungsunschärfe.
Legende: Der Simplontunnel, hier ein Bild vom Mai 2006. Die erste Tunnelröhre wurde 1905 eröffnet. KEYSTONE / Olivier Maire

Besonders die langen und viel befahrenen Tunnel machen ihnen Sorgen, davon gibt es ein gutes Dutzend. Darum hat Vetsch eine klare Forderung: «Ein Fluchtstollen ist für mich die minimalste Anforderung bei Tunnel, die länger als einen Kilometer sind.»

Doch bei der Eisenbahn sind solche Fluchtstollen selten. Die jüngeren Basistunnel am Gotthard, Lötschberg und Ceneri haben alle zwei getrennte Röhren und zahlreiche Querschläge. Dadurch ist eine Flucht in rauchfreie Räume und ins Freie möglich. Solche baulichen Voraussetzungen für eine Selbstrettung durch Fluchtstollen fehlt aber bei fast allen älteren Tunneln.

Das sagt die SBB

Bahntunnel sind trotzdem alle sicher, auch im Falle eines Brandes, heisst es bei der SBB: «Unsere Tunnel sind nicht so klein. Sie haben keine Zwischendecke und deshalb ist auch der Platz vorhanden für die Rauchentwicklung, die nach oben geht», sagt Federica Sandrone.

Sie ist bei den Bundesbahnen als Tunnelbau-Ingenieurin für Tunnelsicherheit verantwortlich. Defekte Züge würden erkannt und vor oder nach dem Tunnel gestoppt. Und selbst im Brandfall seien auch alle älteren Tunnel sicher, weil sie gross genug seien.

Ähnlich klingt es bei der Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für Verkehr. «Eine Brandwahrscheinlichkeit ist in einem Eisenbahntunnel sehr klein», sagt Sprecher Michael Müller. Wenn man die Eisenbahntunnel gegen alle Risiken aufrüsten wollte, würde das Milliarden Franken kosten. «Und wir können den Franken viel besser einsetzen, nämlich da, wo er viel bessere Sicherheit produziert», so Müller. Das sei in Bahnhöfen oder auf der Strecke der Fall, die Tunnel seien sicher.

Brände in Schweizer Eisenbahntunneln (Auswahl)

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  • 1991 : Hirschengrabentunnel, ZH: Eine S-Bahn brennt aus, 58 Rauchverletzte.
  • 2006 : Zimmerberg-Basistunnel, ZH: Schwelbrand an einem Cisalpino-Zug, 3 Leichtverletzte.
  • 2011 : Simplontunnel, VS: Eine lose LKW-Plane auf einem Güterzug erzeugt einen Lichtbogen, der Sattel-Auflieger fängt Feuer, der Lokführer kann sich retten, ansonsten erheblicher Sachschaden.

25 bis 70 Millionen Franken pro Kilometer kostet es laut Bundesamt für Verkehr, einen Fluchtstollen zu bauen. Für die rund 15 wichtigsten Tunnel wären das je nach Länge der Fluchtstollen 2 bis 6 Milliarden Franken für insgesamt rund 90 Kilometer Fluchtstollen .

Bahntunnelexperte Heinz Ehrbar würde von den Milliarden, die in den Ausbau und den Unterhalt der Bahninfrastruktur fliessen, lieber etwas für die Tunnelsicherheit ausgeben. «Seit 20 Jahren hat die Strasse bei jedem längeren Autobahntunnel einen Sicherheitsstollen gemacht», so Ehrbar. Rund 1.8 Milliarden Franken hat das Bundesamt für Strassen dafür ausgegeben.

10 vor 10, 21.05.2024, 21:50 Uhr /lehl;horm

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