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Eizellenspende «Hinter den Spenderinnen stecken viele schwierige Geschichten»

Der Nationalrat will Eizellenspenden legalisieren. Diese sind im Gegensatz zu Samenspenden in der Schweiz noch nicht erlaubt. Jährlich fahren Hunderte Frauen ins Ausland, um sich eine Eizelle einsetzen zu lassen. Forscherin Laura Perler erklärt, warum eine Eizellenspende für Spenderinnen oft eine Option unter vielen schlechten Optionen sei - und auch gesundheitlich nicht ohne Risiko.

Laura Perler

Sozialanthropologin

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Dr. Laura Perler ist Sozialanthropologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am geographischen Institut der Universität Bern. Demnächst publiziert sie ein Buch zum Thema Eizellenspende.

SRF: Seit zehn Jahren forschen Sie zum Thema. Welcher Punkt hat Sie kritisch werden lassen?

Laura Perler: Je länger ich geforscht habe, desto mehr merkte ich, dass es ganz viele schwierige Geschichten hinter den einzelnen Spenderinnen gibt. In der Debatte hier wird oft einfach auf die Empfängerinnen fokussiert. Wir müssen uns aber auch die einzelnen Geschichten genau anschauen, um ein ganzes Bild zu haben.

Haben Sie Beispiele?

Eine Spenderin in Spanien hatte am Schluss fast ein Nierenversagen. Sie war schwanger, ohne es zu wissen. Als sie dann im Hinblick auf die Eizellenspende mit der hormonellen Stimulation begann, hatte sie natürlich eine massive Überstimulation. Sie war dann drei Wochen im Spital. Man hat ihr literweise Wasser entzogen, einen Abort hatte sie auch. Das ist wohl ein Einzelfall, aber es zeigt: Das ist nicht vergleichbar mit der Samenspende.

Diese Frauen spenden freiwillig. Gilt für sie das Recht auf Selbstbestimmung nicht?

Die Frauen übernehmen natürlich den Diskurs der Freiwilligkeit – die Klinik erwartet das auch von ihnen. Aber es ist doch eine Option unter vielen schlechten Optionen. In Spanien zum Beispiel ist die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch. Da erscheint eine Eizellenspende vielleicht als gute Option. Aber ich frage mich, ob wir da wirklich von Freiwilligkeit sprechen können.

Wir haben in einer Studie herausgefunden, dass etwa 400 Paare jährlich ins Ausland reisen für die Eizellenspende.

Wenn die Schweiz beim Verbot bleibt, gehen die Paare nach wie vor ins Ausland. Damit ist den Spenderinnen dort auch nicht geholfen?

Klar, dieser Tourismus bleibt bestehen. Wir haben in einer Studie herausgefunden, dass etwa 400 Paare jährlich ins Ausland reisen für die Eizellenspende. Die Dunkelziffer ist aber massiv höher. Das wird so bleiben. Aber es kann nicht die Lösung sein, hier die Eizellenspende zu legalisieren, solange noch ganz viele Fragen ungeklärt sind. Es könnte auch sein, dass es nach einer Legalisierung zu einer anderen Art von Reproduktions-Tourismus kommt, nämlich dass Spenderinnen in die Schweiz reisen, um hier ihre Eizellen zu spenden. Das wollen wir auch nicht.

Bei der Samen- und der Eizellenspende werden zwei Techniken verglichen, die nicht vergleichbar sind.

Ein Gleichstellungsargument lautet, dem unfruchtbaren Mann helfe man mit der Samenspende, da dürfe man bei unfruchtbaren Frauen nicht strenger sein.

Das finde ich ein verkürztes Argument, denn bei Gleichstellung geht es nicht nur um die Kategorien Mann und Frau, es gibt auch andere Kategorien wie den globalen Norden und Süden oder verschiedene sozioökonomische Verhältnisse. Bei der Samen- und der Eizellenspende werden zwei Techniken verglichen, die nicht vergleichbar sind. Eine Eizellenspende bedeutet zuerst eine Selektion, medizinische Tests, psychologische Tests, dann zwei Wochen hormonelle Stimulation. Mit einer täglichen Injektion stimuliert die Spenderin ihre Eizellen. Nach zwei Wochen gibt es dann eine Punktion unter Vollnarkose. Das sind andere Risiken.

Was wäre Ihre Lösung?

Bevor wir über Legalisierung sprechen, müssten wir über ein europäisches Abkommen sprechen. Und zwar ein Abkommen über Mindeststandards, auch über ein internationales Register, damit Spenderinnen nicht von einem Land ins andere reisen können, um zu spenden.

Das Interview führte Nathalie Christen.

Tagesschau, 17. 3.2022, 18 Uhr ; 

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