Zum Inhalt springen

Emmentaler-Absatz sinkt So versucht das Emmental, die Käsekrise zu meistern

Der Käse mit den Löchern steckt im Tief. Das trifft auch das Emmental: Käsereien schliessen, Bauern stellen den Betrieb um und die Schaukäserei beendet die Produktion.

Niemand will mehr Emmentaler, so scheint es. In Italien, dem wichtigsten Exportmarkt, sank der Konsum innert eines Jahres um 18 Prozent. Mit Cremo ist eine der grössten Schweizer Molkereifirmen aus der Produktion ausgestiegen. Noch vor zehn Jahren produzierte die Schweiz über 19'000 Tonnen jährlich vom Emmentaler AOP mit der geschützten Herkunft – heute sind es 12'000 Tonnen.

Leute schauen auf ein Käsekessi und eine Käserin
Legende: Bis Ende Juni konnte in der Schaukäserei in Affoltern im Emmental die Käseproduktion beobachtet werden. SRF/Samuel Burri

Eine Nachricht beschäftigte das Emmental besonders: Ende Juni stellte die Emmentaler Schaukäserei in Affoltern ihre Produktion ein. Jahrzehntelang konnten Besucherinnen und Besucher durch Glasscheiben die Käseherstellung verfolgen. Damit ist nun Schluss. Berner Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentarier aller Parteien suchten händeringend nach einer Lösung – ohne Erfolg.

Milchherstellung rentiert nicht mehr

Die Emmentaler-Krise zwingt die Leute im Emmental, neue Lösungen zu finden. «Bei einem solchen Einbruch im Verkauf ist vieles nicht ideal gelaufen», seufzt Bauer Heinz Kämpfer. Er vermutet, dass Innovation und Marketing zu kurz gekommen sind. «Beim Appenzeller etwa, mit den drei alten Männern in der Werbung, da ist ein Wiedererkennungswert entstanden.» Der fehle beim Emmentaler.

Ein Bauer melkt eine Kuh
Legende: Bauer Heinz Kämpfer produziert keine Milch mehr für Emmentaler. SRF/Samuel Burri

Der Preis für Emmentaler-Milchproduzenten ist relativ tief, das hatte Folgen für den Bauern. Jeden Morgen steht Heinz Kämpfer im Stall, vor dem Hof die grünen Hügel des Emmentals. Jahrzehntelang hat der 62-Jährige seine Kühe nur mit Gras und Heu gefüttert, wie das für Emmentaler vorgeschrieben ist. Doch seit einem Jahr liefert der Bauer in Affoltern seine Milch nicht mehr zur Emmentaler-Produktion.

Heute wird mit der Milch der 20 Kühe sogenannte Industriemilch hergestellt, mit Silofutter. «Ich weiss nicht mehr, was daraus entsteht», so Kämpfer. Die Anforderungen für die Milchproduktion sind tiefer, der Preis pro Liter Milch ist beinahe derselbe, erklärt Kämpfer. Nur emotional sei es ein Unterschied: «Früher hatte ich einen Bezug zum Produkt, das aus der Milch entsteht. Heute nicht mehr.»

Vorne Brunnen , hinten, schon am Eindunkeln, eine saftig-grüne, hügelige Weide mit Kühen darauf.
Legende: Grüne Hügel wie hier in Affoltern im Emmental sind typisch für die Region. SRF/Samuel Burri

Das Herz des Bauern blutet. Dem Emmental gehe durch die Käsekrise ein Teil seiner DNA verloren. «Der Emmentaler wurde in die Welt hinaus getragen von hier, er machte die Schweiz und unsere Landwirtschaft bekannt.» Doch wenn die Milchbüchleinrechnung nicht mehr aufgeht, dann muss gehandelt werden.

Gummig und geschmacklos?

Einst brachte der Käse Wohlstand ins Emmental. Davon zeugen alte Prachtbauten der Käsehändler, etwa in Langnau. Im Regionalmuseum «Chüechlihus» zeigt eine Weltkarte mit Dutzenden Stecknadeln, wohin der Käse im 19. Jahrhundert exportiert wurde: etwa nach Nairobi in Kenia.

Doch weil die Marke nicht geschützt ist, darf Emmentaler heute überall auf der Welt produziert werden. Ironischerweise waren es oft Käser aus dem Emmental, die das Wissen in andere Länder exportiert haben.

Heute wird der Emmentaler zudem oft etwas belächelt. Der milde Geschmack, die gummige Konsistenz entsprächen nicht mehr dem Zeitgeist, heisst es. «Mir schmeckt der Emmentaler nach wie vor», entgegnet Frank Jantschik. Der Deutsche ist seit zehn Jahren Geschäftsführer der Emmentaler Schaukäserei. Er findet, der Emmentaler habe zu Unrecht ein schlechtes Image. «Immer wenn Gäste unseren jahrelang gelagerten Emmentaler probieren, geraten sie ins Staunen.» Jantschik findet, die geschmackliche Bandbreite des Emmentalers sei zu wenig bekannt.

Mann vor Holzhaus
Legende: Frank Jantschik leitet die Emmentaler Schaukäserei, bald «die erste begehbare Schaukäserei der Schweiz». SRF/Samuel Burri

Die Schaukäserei schrieb rote Zahlen, trotz 265'000 Gästen im letzten Jahr. Tourismus und Gastronomie rentierten, die Käseproduktion nicht, erklärt Jantschik. Darum habe man schweren Herzens entschieden, die Produktion einzustellen. Doch ein Ende sei das mitnichten: «Wir kreieren die einzige Schaukäserei, die vom Publikum begangen werden kann.» Ob eine Schaukäserei ohne Käserei weiterhin so viel Volk anlockt, wird sich zeigen. Die Aussicht von der Gartenbeiz auf die sanften Hügelkuppen lohnt sich auch ohne Käseproduktion.

Käsereien dürfen weniger produzieren

Der wohl berühmteste Käse der Welt steckt seit Jahren in der Krise. Seit den 1990er-Jahren, als die Schweizer Käseunion abgeschafft wurde, geht die Produktion des Emmentalers zurück. Einst wurden rund 50'000 Tonnen Emmentaler pro Jahr hergestellt. Die Käseunion sorgte für Preis- und Mengengarantien. Die Überproduktion wurde mit Subventionen exportiert oder zu Schmelzkäse verarbeitet.

Urs Kämpfer zeigt in der Dorfkäserei Dürrenroth auf seine Käsepresse. «Eigentlich könnte ich täglich 24 Emmentaler herstellen.» Doch derzeit liegt die Produktion bei 12 Käselaiben. Wegen der Emmentaler-Krise wurde die erlaubte Produktionsmenge von der Branchenorganisation heruntergeschraubt. «Heute kann ich noch 39 Prozent der einst genehmigten Menge vom Emmentaler AOP herstellen», so der Käser Kämpfer, der nicht mit Bauer Kämpfer verwandt ist.

Käser mit Kopfschutz steht vor seiner Dorfkäserei
Legende: Urs Kämpfer von der Dorfkäserei Dürrenroth glaubt an die Zukunft des Emmentalers – und arbeitet an Alternativen. SRF/Samuel Burri

«Wir hoffen stets, die Talsohle sei nun erreicht, doch dann folgt wieder ein Schlag auf den Kopf», so der Käser zur Stimmungslage in der Branche. In der Schweiz stellen heute ein Drittel weniger Käsereien Emmentaler her als noch vor zehn Jahren. «Früher glaubte man, du bist jemand, wenn du eine gewisse Menge Emmentaler herstellst. Das ist heute schon anders.»

Kämpfers Rezept gegen die Emmentaler-Krise: der Mammutkäse, ein rezenter Hartkäse. Zusammen mit anderen Käsern aus der Gegend stellt er die lokale Kreation her und verkauft sie auch selbst. Dank Diversifizierung kann der Käser weiter alle Milch seiner Genossenschaftsbauern verwerten. Damit soll es ihm nicht so ergehen wie etwa der Käserei im Dorf Arni. Diese musste im Frühling schliessen, nachdem der Milchkonzern Cremo die Emmentaler aus Arni nicht mehr gekauft hatte.

Trotz vieler schlechter Nachrichten: Der Emmentaler bewegt noch immer. Käser Kämpfer erklärt, dass das Käsereisterben für grosse Diskussionen sorge: «Die Bevölkerung im Emmental ist mit ihrem Käse noch immer verbunden.» Ein Silberstreifen am Horizont: Erstmals wurde in der Schweiz letztes Jahr nach längerer Zeit wieder mehr Emmentaler AOP konsumiert. Für tot erklärt werden darf der Emmentaler also längst noch nicht. Das Käse-Emoji auf jedem Handy zeigt einen Emmentaler. Und, ergänzt Urs Kämpfer: «Wenn du einem Kind sagst, zeichne mir einen Käse – dann malt es einen Käse mit Löchern.»

Rendez-vous, 30.06.2025, 12:30 Uhr;brus

Meistgelesene Artikel