Die Ausgangslage: Es ging um die zweite Etappe der Energiestrategie 2050. Der Bundesrat legte dem Nationalrat als Erstrat ein Klima-und Energielenkungssystem (KELS) vor. Trotz Kritik von Parteien, Umwelt- und Wirtschaftsverbänden hielt er dabei an Lenkungsabgaben auf Brennstoffen und Strom fest. Damit wäre ab 2021 das heutige System mit Förderabgaben für erneuerbare Energien wie Sonne, Wind und Wasserkraft durch hohe Abgaben auf Strom und Brennstoffe abgelöst worden.
Der vorzeitige Todesstoss: Die vorberatende Kommission des Nationalrats bestritt den Nutzen von Lenkungssystemen nicht grundsätzlich. Trotzdem empfahl sie ihrer Kammer, aus finanz- und wirtschaftspolitischen Gründen nicht auf die Vorlage einzutreten. Auch seien die vorgeschlagenen Instrumente unzureichend, zu wenig differenziert und im aktuellen Marktumfeld wirkungslos.
Der Nationalrat bestätigt: Ohne Abstimmung folgte die grosse Kammer ihrer Kommission. Alle Fraktionen unterstützen das Vorgehen. Zuvor nutzten sie während zweier Stunden die Gelegenheit, das von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf just am Tag ihrer Rücktrittsankündigung vorgestellte Klima- und Energielenkungssystem zu zerpflücken.
«Es ist ein Abschiedsgeschenk, das wirklich grösste Mängel aufweist» sagte Christian Wasserfallen (FDP/BE) . So seien unter anderem jeglichen Antworten über die Auswirkungen des Lenkungssystems auf den Benzinpreis ausgeblieben. Nur schon aus diesem Grund müsse das Paket versenkt werden.
Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO) wies auf die historisch tiefen Preise auf dem Primärenergiemarkt hin. Entsprechend hoch müsse die Abgabe ausfallen, um überhaupt einen Effekt zu erzielen. Die CVP werde Hand bieten für die Revision des CO2-Gesetzes. Das sei schneller und pragmatischer.
Laut Eric Nussbaumer (SP/BL) erlauben die bestehenden Verfassungsbestimmungen die Weiterführung von Lenkungsabgaben. «Es braucht keine Verfassungsänderung über eine vereinfachende KELS-Vorlage, um bewährte Instrumente ausser Kraft zu setzen und sie dann wieder einzusetzen.»
Die Vorlage habe bezüglich Wirksamkeit und Akzeptanz nie überzeugt, erklärte Bastien Girod (Grüne/ZH) . Mehr Kosteneffizienz lasse sich auch erreichen, wenn die bestehenden Fördermassnahmen wie etwa kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) weiterentwickelt würden. Auch damit liessen sich die Ziele der Energiestrategie 2050 erreichen.
Peter Schilliger (FDP/LU) unterstrich, dass genügend Vorlagen mit Lenkungswirkung in der Pipeline seien. Darunter im CO2-Gesetz, aber auch im ersten Teil der Energiestrategie 2050 , der Gebäude und Mobilität betrifft und über den das Volk am 21. Mai abstimmt. Und zwar wegen des Referendums der SVP, die mit Mehrkosten von 3200 Franken pro Jahr und Familie argumentiert.
Hansjörg Knecht (SVP/AG) betonte, dass solche Lenkungsabgaben wirtschafts- und gewerbefeindlich seien. Umverteilungen führten immer zu Verzerrungen. Nicht zuletzt kritisierte er eine beträchtliche Umverteilungsbürokratie.
«Ich bin froh, dass wir diese Vorlage heute versenken, die viel zu viel Interpretationsspielraum lässt», sagte Hans Grunder (BDP/BE) . Nun könne man aber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Das nächste Paket heisse ganz sicher nicht mehr «lenken». Es müssten der Selbstversorgungsgrad festgelegt und die Energieträger bestimmt werden.
Wir haben offensichtlich die Instrumente noch nicht gefunden, um die beschlossenen Ziele umzusetzen.
Der Bundesrat: Die Rezepte überzeugten noch nicht, sagte Finanzminister Ueli Maurer. Nicht jeder könne sein eigenes Brötchen backen. Es müssten nun gemeinsam Lösungen für die nächsten Jahrzehnte gefunden werden. Es gebe noch zahlreiche Widersprüche auszuräumen. Pragmatische und wettbewerbsfähige Lösungen seien gefragt. «Ich bestehe heute aber weder auf eine Abstimmung noch auf eine Schweigeminute, wenn Sie die Vorlage nun versenken.» Das Geschäft geht jetzt an den Ständerat.