Zum Inhalt springen

Entführung eines Prominenten «Das Ereignis schockiert, aber überrascht mich nicht»

Ein tragischer Fall gibt derzeit in der Schweiz zu reden. Eine Person, die sich regelmässig öffentlich zu den Covid-Massnahmen äusserte, wurde letzte Woche entführt, wie der «Tages-Anzeiger» am Freitag berichtete. Im Rahmen der Ermittlungen nach dieser Entführung kam es zu einer Schiesserei, bei der zwei Menschen ums Leben kamen. Das ist Fakt. Was man nicht weiss, aber als Verdacht nahe liegt, ist, dass Verschwörungstheoretiker involviert sind. Extremismus-Forscher Marko Kovic über die Radikalisierung in der Szene.

Marko Kovic

Sozialwissenschaftler und Journalist

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Marko Kovic ist selbstständiger Sozialwissenschaftler. Der Journalist und Podcaster ist Mitbegründer und ehemaliger Präsident der «Skeptiker Schweiz».

SRF News: Was ist Ihre Meinung zu dem Vorfall?

Marko Kovic: Das Ereignis schockiert, aber überrascht mich nicht.

In den letzten zwei Jahren haben wir in der Schweiz eine intensive Radikalisierung erlebt, auch online. Deshalb ist es nicht überraschend, dass es zu einer Gewalttat übergeschwappt ist.

Weshalb?

Wir wissen aus der Vergangenheit, dass Radikalisierung in der Breite eine Spitze der Gewaltbereitschaft produziert. In den letzten zwei Jahren haben wir in der Schweiz eine intensive Radikalisierung erlebt, auch online. Deshalb ist es nicht überraschend, dass es zu einer Gewalttat übergeschwappt ist.

Sie waren einer der ersten, welcher vor solchen Tendenzen und Ereignissen gewarnt hat.

Ich wünschte, dass es nicht geschehen wäre. Der Vorfall zeigt uns, dass wir das Problem ernster nehmen müssen als bisher. Es sind nicht bloss merkwürdige Menschen online, welche das aus Spass glauben. Wenn Menschen intensiv Dinge verinnerlichen, handeln sie irgendwann auch. Wenn ich glaube, irgendwas Schlimmes geschieht, will man auch was dagegen tun.

Wir müssen diesen Verschwörungslügen und Verschwörungsmythen Fakten und Empathie entgegensetzen.

Wie kann man dieses Narrativ brechen?

Wir brauchen ganz klar Gegennarrative. Wir müssen diesen Verschwörungslügen und Verschwörungsmythen Fakten und Empathie entgegensetzen. So kann man die Menschen abholen und ihnen aufzeigen, dass ihre Sicht vielleicht nicht das Letzte der Wahrheit ist.

Sind wir hier auf Kurs?

Ich befürchte noch nicht. Ich hoffe aber, dass die letzten beiden Jahre der Pandemie uns als Gesellschaft wachrütteln und wir uns sagen: Wir müssen was tun, wir können das Ganze nicht weiter ignorieren.

Kann auch dieses Ereignis dazu dienen?

Vielleicht als Schock, vielleicht als Moment, wo wir uns fragen, wohin wir wollen. Dass wir in uns gehen und uns sagen, dass wir etwas Positives brauchen, um solche Taten in Zukunft zu verhindern.

Was ist Ihnen bei der Forschung zu diesem Ereignis aufgefallen?

Die ersten Reaktionen in den gängigen Telegram-Kanälen sind Unterstützung der Tat und Belustigung. Ich habe keine ablehnende Reaktion gesehen.

Muss uns das nicht Angst bereiten?

Angst ist der falsche Ausdruck. Es muss uns Anlass geben, das Problem ernst zu nehmen.

Können Sie uns ein paar der negativen Reaktionen in den sozialen Medien erläutern?

In einem Telegram-Kanal, welcher gut besucht ist, haben dutzende Menschen mit Smileys auf die Tat reagiert.

Wie ordnen Sie die Vielzahl an negativen Reaktionen ein?

Das ist traurig für mich, aber wie zu Beginn gesagt nicht überraschend. Das Ganze passt in das Schema: Entweder nimmt man es nicht ernst oder findet es gut. Zusätzlich erklären jeweils auch viele, diese Tat sei sowieso nur inszeniert gewesen. Dieses Muster haben wir in der Vergangenheit beispielsweise auch in den USA bei QAnon erlebt.

Das Gespräch führte Mario Nottaris.

Schweiz Aktuell, 8.4.2022, 19:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel