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Entscheid aus Strassburg Schweiz wegen Verletzung der Meinungsfreiheit gerügt

Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus durfte einem SVP-Politiker mit Recht «verbalen Rassismus» vorwerfen.

Um diesen Fall geht es: Der Fall geht zurück ins Jahr 2009 und den Abstimmungskampf über das Minarett-Verbot. Der damalige Präsident der Jungen SVP Thurgau, Benjamin Kasper, setzte sich an einer Veranstaltung für die Initiative ein. Kasper sagte damals, es gelte der Ausbreitung des Islam Einhalt zu gebieten. Die Schweizer Leitkultur, die auf dem Christentum basiere, dürfe sich nicht von anderen Kulturen verdrängen lassen.

Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) thematisierte diese Äusserungen auf ihrer Internetseite – und bezeichnete sie als «verbalen Rassismus». Der so kritisierte SVP-Vertreter wehrte sich zunächst erfolgreich gegen diese Bezeichnung – denn sowohl das Thurgauer Obergericht wie auch das Bundesgericht betrachteten diese als Persönlichkeitsverletzung.

Das sagt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Das Gericht beurteilt den Fall anders als das Bundesgericht. Der EGMR hebt in seinem Urteil insbesondere hervor, dass die Stiftung in einer demokratischen Gesellschaft eine ähnliche Wächterrolle einnehme wie die Presse und dass sich die Meinungsäusserung im Rahmen einer heiss geführten politischen Debatte abspielte.

Der Präsident der Jungen SVP Thurgau sei, trotz seines jungen Alters, eine Person des öffentlichen Lebens, der mit öffentlicher Kritik zu rechnen habe. Der EGMR hält im Gegensatz zum Bundesgericht fest, dass das Werturteil der Stiftung, wonach die Aussage des Präsidenten der Jungen SVP verbalen Rassismus darstellt, eine sachliche Grundlage aufweise.

Wie der EGMR den Rassismusbegriff in der öffentlichen Debatte sieht: Die Aussage, wonach die Schweizer Leitkultur gegen die Expansion des Islam zu schützen sei, porträtiert den Islam als etwas Negatives, wogegen es die schweizerische Kultur zu verteidigen und zu schützen gilt. Der EGMR vertritt die Meinung, dass der Begriff des Rassismus im Rahmen einer öffentlichen Debatte nicht auf den strafrechtlichen Rassismusbegriff verengt werden sollte. So habe denn auch die GRA-Stiftung zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass die Äusserungen des Präsidenten der Jungen SVP Thurgau strafrechtlich relevant seien.

Die Schweiz muss die Stiftung GRA mit 5000 Euro entschädigen.

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