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Entscheid des Bundesrats Für die EU-Verträge soll es kein Ständemehr brauchen

  • Der Bundesrat hat an seiner Sitzung einen Richtungsentscheid zum Vertragswerk mit der EU gefällt.
  • Er spricht sich dafür aus, dass das Abkommen dem fakultativen Referendum unterstehen soll. Demnach würde das einfache Volksmehr an der Urne ausreichen.
  • Aussenminister Ignazio Cassis begründete den Entscheid vor den Bundeshausmedien in Bern.

Im Bundesrat stand heute die nächste Runde im Polit-Poker um das Vertragspaket mit der EU an. Es ging um eine Frage, die zur eigentlichen Gretchenfrage in dem umstrittenen Dossier werden könnte: Muss dem Abkommen lediglich das Volk zustimmen oder auch die Kantone? Ein doppeltes Mehr von Volk und Ständen würde die Hürde für eine Annahme ungleich höher setzen.

Nun hat der Bundesrat entschieden: Das einfache Volksmehr soll für die Zustimmung zu den Verträgen mit der EU genügen. Abschliessend befindet das Parlament darüber, welches Referendum gelten soll. Über das Vertragswerk dürfte frühestens 2028 abgestimmt werden.

«Wichtige Weichenstellung»

Vor den Medien begründete Aussenminister Ignazio Cassis den Entscheid. Der Bundesrat habe eine wichtige Weichenstellung zur Weiterentwicklung des bilateralen Wegs mit der EU vorgenommen, erklärte Cassis.

«Nach sorgfältiger Prüfung hat der Bundesrat entschieden, das Vertragspaket dem fakultativen Referendum zu unterstellen.» Die Regierung habe sich in den letzten Monaten vertieft mit dieser Frage befasst.

Kompass-Initiative pocht auf doppeltes Ja

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Mit einem Volks- und Ständemehr zu den EU-Verträgen vorausschauend Rechtssicherheit schaffen: Das fordert das Komitee, das vor gut einem halben Jahr die Kompass-Initiative lanciert hat. Die Initiative könnte noch im Sommer eingereicht werden.

Das im Herbst 2024 lancierte Volksbegehren verlangt unter anderem, völkerrechtliche Verträge, die eine Übernahme von wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen vorsehen, Volk und Ständen zur Genehmigung vorzulegen. Mit einem obligatorischen Referendum ist die Hürde für die Zustimmung zum Vertragswerk höher.

Vor den Medien machten die Initiantinnen und Initianten am gestrigen Dienstag in Bern Druck für das Ständemehr: Unter der Voraussetzung, dass sich Bundesrat und Parlament für das doppelte Ja zu den EU-Verträgen einsetzen und Volk und Stände dieses annehmen, sind sie zum Rückzug ihres Begehrens bereit.

Das Vertragspaket will der Bundesrat dem Parlament in vier separaten, referendumsfähigen Bundesbeschlüssen vorlegen: einen für die Stabilisierung der bilateralen Beziehungen und drei für die Weiterentwicklung in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Strom und Gesundheit. «Diese Struktur stellt sicher, dass der verfassungsmässige Grundsatz der Einheit der Materie eingehalten wird», sagte Cassis.

Taktisches Kalkül bei Entscheid?

Beim «Stabilisierungsteil» des Pakets sei die Frage, ob auch das Ständemehr nötig sei, in den letzten Monaten öffentlich wie auch in Fachkreisen intensiv diskutiert worden, sagt der Bundesrat.

Wir können nicht verneinen, dass es bei diesen Abwägungen auch ein taktisches Element gibt.
Autor: Ignazio Cassis Schweizer Aussenminister

Die Landesregierung habe die rechtliche und politische Tragweite des Entscheids umfassend beurteilt und sich mit Rechtsexperten, den Kantonen sowie den Aussenpolitischen Kommissionen der Räte ausgetauscht. «Auf dieser Grundlage ist der Bundesrat zum Schluss gekommen: Das fakultative Referendum ist verfassungsmässig die bestabgestützte Lösung.»

«Kohärenz mit bisheriger Europapolitik»

Auf Frage von SRF-Bundeshausredaktor Andy Müller, ob durch den Entscheid die Chancen der EU-Verträge an der Urne erhöht werden sollten, sagte Cassis: «Wir können nicht verneinen, dass es bei diesen Abwägungen auch ein taktisches Element gibt.» Das Bundesratsgremium begründe die Wahl des fakultativen Referendums aber nicht damit.

Die Vorgehensweise entspreche der bisherigen Praxis bei den Bilateralen I und II. Der Bundesrat sei der Ansicht, dass insbesondere das Schengen/Dublin-Abkommen eine weitergehende dynamische Rechtsübernahme als die heutigen Paketabkommen vorgesehen habe. Mit der Wahl des fakultativen Referendums wahre der Bundesrat die Kohärenz mit seiner bisherigen Praxis und die Kontinuität der Schweizer Europapolitik.

Laut Bundesrat trägt diese Option zudem der Ablehnung der Volksinitiative «Staatsverträge vors Volk» im Jahr 2012 Rechnung, bei der 75.3 Prozent ein obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit wichtigen rechtssetzenden Bestimmungen abgelehnt haben.

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SRF 4 News, 30.04.2025, 14 Uhr ; 

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