- Ein Aargauer, der nachweislich fünf Frauen sexuell missbraucht hat, bleibt nicht länger hinter Gittern. Das hat das Bezirksgericht Brugg entschieden.
- Das Bezirksgericht hatte den heute 67-Jährigen im Jahr 2017 zu acht Jahren Haft verurteilt. Bald ist seine Strafe abgesessen.
- Die Staatsanwaltschaft hatte nachträglich eine stationäre Massnahme gefordert, damit der Mann nicht freikommt.
- Die Gutachter haben während der erneuten Verhandlung den Mann unterschiedlich eingeschätzt. Abweichende Prognosen reichten aber nicht für eine nachträgliche stationäre Massnahme, so das Bezirksgericht.
«Frauen-Quäler», «Frauenschänder», «Sex-Sadist»: Die Schlagzeilen der Schweizer Presse zum Aargauer Fall waren im Rahmen des Gerichtsprozesses 2017 vielfältig und teilweise heftig. Der Verurteilte hat Frauen mit Geld gelockt, betäubt und sexuell missbraucht. Die Missbräuche hat er auf Video festgehalten. Er wurde wegen mehrfacher sexueller Nötigung und weiteren Delikten verurteilt. Das Gericht kam 2017 zum Schluss, dass der Täter «verwerflich» und «grausam» gehandelt habe.
Aufgeflogen war der Fall nur wegen eines Zufalls. Im März 2014, als die Feuerwehr nach einem Wasserschaden in einer Lagerhalle in Hausen AG eine Indoor-Hanfplantage entdeckt hat. Diese war vom Verurteilten betrieben worden.
Frauen mit K.O.-Tropfen betäubt
Bei den anschliessenden Hausdurchsuchungen stellte die Polizei umfangreiches Videomaterial sicher. Zwei Tage nach dem Wasserschaden in der Hanfanlage kam der Mann in Untersuchungshaft. Der Elektroingenieur verabreichte den missbrauchten Frauen K.O.-Tropfen. Er zielte überwiegend auf Schwarzafrikanerinnen in prekären finanziellen Verhältnissen und missbrauchte sie in einem Raum unterhalb eines Firmenareals. Dieses befindet sich in der Nähe des Wohnorts des Täters.
Er bot den Frauen bis zu 2000 Franken, damit sie ein Medikament einnahmen. Laut Anklageschrift verabreichte er ihnen vorwiegend Rohypnol, «zum Teil in lebensbedrohlich hoher Dosierung». Der Angeklagte bestritt damals vor Gericht die hohen Dosen. Die Opfer selbst haben keine Erinnerungen an die Taten.
Unterschiedliche psychiatrische Gutachten
Der Mann sitzt seit 2015 im vorzeitigen Strafvollzug. Die Staatsanwaltschaft stellte nachträglich den Antrag für eine stationäre Massnahme. Sprich: Der Täter soll nicht frei kommen, sondern eine Therapie vor Ort absolvieren. Die Aussichten seien ungünstig, begründet die Staatsanwaltschaft den Antrag. Die drei Psychiater, die vor Gericht nun ausgesagt haben, kommen nicht alle zum selben Schluss: Einer erachtet die Rückfallgefahr als gering, der Zweite als mittelgradig und der Dritte als hoch.
Der Täter selbst zeigte damals bei der Gerichtsverhandlung kaum Reue. Jetzt sei das anders, sagten am Dienstag einer der Gutachter und der Täter selbst. Er habe Zeit gebraucht, um das Ganze zu verarbeiten, so der Täter. Er bereue es und habe die bald abgesessene Strafe verdient, eine längere Strafe aber nicht.
Das Bezirksgericht Brugg hat die Anträge der Staatsanwaltschaft einstimmig abgewiesen. Stationäre Massnahmen könnten im Nachgang an eine Verurteilung angeordnet werden, aber nur wenn während des Vollzugs neue Tatsachen oder Beweismittel auftauchten, begründet das Gericht. Ein neues Gutachten mit einer ungünstigen Prognose reiche nicht, argumentiert das Gericht. Der Mann soll also doch im März freikommen. Seine Verteidigung erhält zudem eine Entschädigung von 29'000 Franken. Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.