«Jeder entscheidet weiterhin selber, ob er sich impfen lassen will», sagte Gesundheitsminister Alain Berset. Er legte die Argumente des Bundesrats zum neuen Epidemiengesetz dar. Über die Vorlage wird am 22. September abgestimmt. Für den Bundesrat ist klar: Mit dem neuen Gesetz soll der Schutz vor Masern, Pocken, Typhus und Co. verbessert werden.
Die Gegner wittern einen «Impfzwang». Doch Bundesrat Berset weist darauf hin: Entgegen den Befürchtungen schränkt der neue Erlass die Möglichkeiten für ein Impfobligatorium sogar ein. Obwohl schon heute möglich, sei noch nie ein Obligatorium ausgesprochen worden, hielt der Gesundheitsminister fest.
Künftig ist ein Obligatorium nur noch in Notsituationen und für klar eingegrenzte Personengruppen denkbar. Etwa das Personal auf der Säuglingsabteilung könnte betroffen sein und müsste sich impfen lassen. Sonst wird die Person anderswo eingesetzt.
Kritik an «emotionaler Darstellung»
Das Thema Impfen werde «etwas emotional» dargestellt, sagte Carlo Conti. Er ist Basler Regierungsrat und Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK). Damit habe er Mühe. Selbstverständlich sei es jedem selbst überlassen, ob er sich impfen lassen wolle. Aber jeder trage auch Verantwortung für Mitmenschen, die sich anstecken könnten.
Von Seiten des Bundes werde es keinen Ruf nach einem Obligatorium für die Masern-Impfung geben. Dies sagte Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). Allerdings empfiehlt der Bund die Impfung. Die Schweiz macht bei einem Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit. Dieses hat die Masernelimination in Europa zum Ziel. Dazu müssten 95 Prozent der Kinder geimpft sein. Heute sind es in der Schweiz 82 Prozent.
Gegen das Epidemiengesetz haben impfkritische Kreise das Referendum ergriffen, die zwangsweise Impfungen befürchten. Die gleichen Kreise hatten sich bereits gegen das Tierseuchengesetz gewehrt. Die Vorlage war im vergangenen November mit 68 Prozent der Stimmen deutlich angenommen worden.
«Gute Vorbereitung tut Not»
Nicht der alles beherrschende Aspekt des Impfens, sondern zahlreiche andere Neuerungen im Epidemiengesetz stellten Berset und Conti aber als die wichtigsten Argumente für das Gesetz dar. Epidemien wie Pest oder Cholera, die zu Millionen Todesopfern geführt hätten, seien glücklicherweise eingedämmt, sagte Conti. «Aber die Gefahr ist nicht gebannt». Gute Vorbereitung tue Not.
Dazu biete das neue Epidemiengesetz die nötige Grundlage: Bund und Kantone könnten sich damit effizienter auf Krisen vorbereiten und solche effektiver bewältigen. Beispielsweise sind gemeinsame Notfallpläne von Bund und Kantonen geplant. Zudem könnten Spitalinfektionen oder Antibiotikaresistenzen gezielter bekämpft werden, sagte Berset.
Klare Spielregeln
Verbesserungen bringt das neue Gesetz laut Conti auch in der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kantonen. Die Erfahrungen mit der Atemwegserkrankung Sars und der Schweinegrippe (H1N1) hätten die Probleme in diesem Bereich aufgezeigt. Nun würden klare Spielregeln aufgestellt.
Als Vorzüge hoben Berset und Conti auch die Möglichkeiten zur besseren Information zu sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV/AIDS hervor, was auch den Schulunterricht betreffen kann. Zudem enthalte das neue Gesetz Regelungen zum Datenschutz und zur internationalen Zusammenarbeit. Die Schweiz behalte aber gegenüber der WHO, die Empfehlungen ausspricht, ihre Souveränität, sagte Berset.