Die Gegner des Epidemiengesetzes befürchten, dass der Bund bei Annahme des Erlasses zu viel Macht bei Impffragen erhält. Dadurch könnte ein Impfobligatorium viel eher als heute ausgesprochen werden, allenfalls unter Einfluss der Pharmaindustrie und der WHO.
Das umfassend modernisierte Epidemiengesetz enthält aus Sicht seiner Gegner zu viele unklare Begriffe, wie der Berner BDP-Politiker Peter Eberhart vor den Medien in Bern ausführte. Er präsentierte mit einer bunt gemischten Koalition inklusive den Nationalräten Urs Gasche (BDP/BE), Yvonne Gilli (Grüne/SG) und Lukas Reimann (SVP/SG) die Argumente des Nein-Komitees. Über das Epidemiengesetz wird am 22. September abgestimmt.
Die neuen Regelungen soll dem Bund bessere Möglichkeiten zur Vorbeugung und Bekämpfung gefährlicher Krankheiten geben. Doch was im Gesetz stehe, werde nach seiner Interpretation dazu führen, dass künftig jedes Jahr während der Grippesaison eine «besondere Lage» ausgerufen werden könne, sagte Eberhart.
In solchen Situationen kann der Bund zu speziellen Massnahmen greifen, um eine Epidemie zu bekämpfen. Dazu gehört auch ein Impfobligatorium für «gefährdete Bevölkerungsgruppen» sowie exponierte Personen oder bestimmte Berufsgruppen. Ein solcher «Impfzwang» ist das Schlagwort der Gegner.
Nachbesserung gefordert
Er sei nicht grundsätzlich gegen ein Obligatorium, wenn es denn wirklich nötig sei, sagte Gasche, der das Gesetz im Nationalrat noch befürwortet hatte. Bei genauerem Lesen zeige sich aber, dass die Voraussetzungen für den Eingriff in die körperliche Integrität von Bürgern ungenügend umschrieben seien. Das Gesetz müsse deshalb nachgebessert werden.
Aus Sicht von Yvonne Gilli hätte es genügt, wenn nur in ausserordentlichen Lagen – der höchsten Gefahrenstufe – ein Impfobligatorium möglich gewesen wäre. Die Ärztin relativierte aber den Begriff «Impfzwang». Niemand werde gegen seinen Willen geimpft werden, sagte sie.
Problematisch sei vielmehr der «indirekte Impfzwang». Dieser entstehe dadurch, dass ungeimpfte Personen ihren Beruf nicht ausüben dürften – beispielsweise das Pflegepersonal. Einen indirekten Zwang gebe es auch, wenn ungeimpfte Schüler während einer Masernepidemie wochenweise von der Schule ausgeschlossen würden.
«Es gibt eine Grauzone, wann Zwangsmassnahmen ergriffen werden dürfen», sagte Gilli. Tendenziell werde aber viel früher zu immer einschneidenderen Massnahmen gegriffen.
Keine Einschränkung gegenüber heute
Die Befürworter inklusive dem Gesundheitsminister Alain Berset geben immer wieder an, dass das neue Gesetz eher restriktivere Regeln für ein Impfobligatorium enthalte als das aktuelle. Diese Ansicht stellte Gilli in Frage. Es sei zwar richtig, dass die Kantone heute mehr Freiheiten hätten, um ein Obligatorium auszusprechen. Dafür benötigten sie aber ein Gesetz: «Und das haben die wenigsten».
Weitere Kritik am Gesetz setzte es für die Rolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ab. Lukas Reimann befürchtet, dass «Bürokraten statt Bürger über den eigenen Körper entscheiden» werden.
Er verwies auf die unglücklichen Erfahrungen mit der Schweinegrippe, welche die WHO – trotz schliesslich glimpflichen Verlauf – auf die höchste Pandemiestufe gehoben hatte. Der Bund habe damals Millionen von Franken für nicht benötigten Impfstoff «in den Sand gesetzt».
Das Referendum ergriffen haben die gleichen impfkritischen Kreise um den Bündner Daniel Trappitsch, die sich bereits gegen das Tierseuchengesetz gewehrt hatten. Das Epidemiengesetz ist aus Trappitschs Sicht zu nahe an der Pharmaindustrie, die aufgrund von lockeren Bestimmungen zu Zwangsmassnahmen auf eine Umsatzsteigerung hoffen könne.