Straftaten einfach zu bestrafen, ist nicht in jedem Fall das beste Vorgehen. Die Jugendanwaltschaft Baselland macht sehr gute Erfahrungen mit Mediationen. Dabei setzen sich Geschädigte und Täterschaft an einen Tisch und suchen eine Einigung zum Vorgefallenen. Gelingt das, wird das Strafverfahren eingestellt.
Wenn Jugendliche nicht lernen, Konflikte zu lösen, wann sollen sie's dann lernen?
Bei Jugendlichen sei dieser Ansatz besonders wertvoll, sagt Michael Wittmer von der Baselbieter JugA und selber auch Mediator: «Wenn Jugendliche nicht lernen, Konflikte zu lösen, wann sollen sie's dann lernen? Hinter Anzeigen und Delikten steckt immer eine Geschichte, ein Konflikt. Wenn man den lösen kann, hat man nachhaltig etwas gelöst.»
Der Zürcher Jugendanwalt Patrik Killer präsidiert die Schweizerische Vereinigung für Jugendstrafrechtspflege. Er sagt, im Idealfall, wenn sich ein Beschuldigter mit einem Opfer auseinandersetze und einige, dann profitiere die Gesellschaft, weil es tendenziell weniger Opfer gebe.
Voraussetzung für eine Mediation ist, dass beide Seiten diesen Weg wollen. Angeschuldigte haben oft ein Interesse daran, weil sie so einer Bestrafung entgehen können.
Geschädigte lockt, eine Entschuldigung zu erhalten, was im Strafverfahren weniger wahrscheinlich ist. Auch die Angst vor erneuten Übergriffen – auch aus Ärger über Strafen – kann schwinden, wenn man sich im geordneten Rahmen einer Mediation austauscht. Das kann Opfern Ängste vor einer späteren erneuten Begegnung nehmen, sagt Wittmer.
Man muss nicht mehr die Strassenseite wechseln.
Franziska Müller Tiberini, Präsidentin der Fédération Suisse Médiation FSM, sieht es ähnlich: Wenn man jugendliche Täter mit Opfern konfrontiere, erschräken sie, weil sie teils gar nicht gemerkt hätten, was sie auslösten, insbesondere mit Gewalt. «Man muss nicht mehr die Strassenseite wechseln» nach einer Einigung.
Regionale Unterschiede
Bei manchen Wiederholungstätern ist laut Wittmer indes ein Gewalt-Coaching angemessener. Und unmöglich sind Mediationen, wenn nicht Opfer und Täter zusammensitzen können, etwa bei Betäubungsmittel- oder Tötungsdelikten oder auch Pornografie.
Die Erfolgsquote von Mediationen in Jugendstrafsachen ist nicht nur im Baselbiet hoch. Auch im Kanton Zürich gelingen sie bei grünem Licht aller Seiten «praktisch immer», wie es auf Anfrage hiess. Dort gibt es eine eigene Fachstelle für Mediationen, die nicht der Jugendanwaltschaft angegliedert ist.
Mediationen sind heute nicht in der ganzen Schweiz etabliert – warum, ist unklar. Killer vermutet, dass es in kleinen Kantonen nicht genügend Fälle gebe, um ein Angebot zu schaffen.
Häufiger sind Mediationen in der Romandie. Müller Tiberini denkt, dass dies an der Geschichte liegen könnte: Mit dem Roten Kreuz in Genf und anderen internationalen Organisationen hätten dort Diplomatie, Neutralität, Allparteilichkeit und Zuhören mehr Tradition.
Verband: klarer Trend zu Mediationen
Angesichts überlasteter Gerichte und auch weltweiter Grosskonflikte sei heute jedoch klar ein Trend zu Mediationen erkennbar, bei Jugend- und Erwachsenen-Themen. «Es ist heute viel üblicher, zuerst einmal zu schauen, ob man sich gütlich trennen kann.» In mehreren Kantonen seien zudem Vorstösse unterwegs, sagt sie. Mediationen seien nicht nur menschlicher, sondern auch effizienter: Sie sparten Zeit und Geld.
Für Wittmer steht Effizienz nicht zuvorderst: «Ich mache das von Herzen, weil ich es eine tolle Sache finde – da geht es mir nicht um die Arbeitslast.»