Das Bezirksgericht Uster hat heute einen 30-jährigen Mann zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen wegen mehrfacher sexueller Nötigung und sexueller Handlungen mit einem 15-jährigen Mädchen, das später Suizid beging.
Der Fall ist ein extremes Beispiel von «Sexting», dem Austausch von eigenen Bildern oder Videos mit explizit sexuellem Inhalt. Dies ist dann verboten, wenn einer der Beteiligten unter 16 Jahre alt ist und der andere volljährig. Wird jemand mit Sexbildern erpresst oder dazu genötigt, ist dies ebenfalls strafbar.
Heute muss man Sexting über Behelfs-Straftatbestände wie Nötigung oder Pornographie verfolgen. Es braucht einen eigenen Straftatbestand.
Im aktuellen Fall lernte der Mann das damals 14-jährige Mädchen auf einer Internet-Plattform kennen. Die beiden kommunizierten über verschiedene Kanäle täglich bis zu 60 Minuten. Dabei schickt er ihr Nacktbilder und drängt sie, ebenfalls Bilder und Videos mit sexuellem Inhalt zu machen.
Handlung mit gravierenden Folgen
Sexting ist für Jugendliche ein brisantes Thema. Rund 20 bis 40 betroffene Jugendliche melden sich pro Monat deswegen beim Sorgentelefon 147 der Pro Juventute.
«Wenn Jugendliche uns zu diesem Thema kontaktieren, geht es oftmals um die Frage ‹Was soll ich jetzt machen?› Ihnen ist dabei sehr bewusst, dass etwas passiert ist, was nicht hätte passieren sollen», erklärt Thomas Brunner, Leiter Beratung 147 bei der Pro Juventute.
Der Ratschlag für die Betroffenen sei in einem solchen Moment, unbedingt Hilfe zu holen. Dabei müsse die Schwelle der Scham überschritten werden und man müsse dazu stehen, dass das einem passiert sei.
Warum aber verschicken Jugendliche Nacktbilder an den oder die vermeintlich Liebste? «Junge Menschen nehmen oftmals Risiken auf sich, obwohl sie wissen, dass es Konsequenzen haben kann», sagt Brunner. Sexting sei bei Jungen vielleicht eher eine Mutprobe, während Mädchen sich damit vor einem möglichen Liebesentzug schützten.
Eigener Absatz im Strafgesetzbuch
Pro Juventute fordert darum mehr Prävention und mehr Aufklärung über die Mechanismen im Internet. Das alleine reiche nicht, sagt Nationalrätin Viola Amherd (CVP/VS). Bereits 2014 hat sie vergeblich eine Motion eingereicht, um Sexting im Strafgesetzbuch zu verankern. Sie kritisiert, dass man mit der aktuellen Gesetzgebung auf Straftaten wie Nötigung oder Pornografie ausweichen müsse, um Sexting zu bestrafen.
Amherd ist nach wie vor der Meinung, dass hier eine Gesetzeslücke besteht. «Ich fordere darum im Artikel 197 im Strafgesetzbuch, Pornografie, ergänzt wird, wonach das Weiterverbreiten von solch intimen Bildern unter Strafe gestellt wird.»
Ein allgemeiner Straftatbestand wäre ausreichend, denn es seien ja auch Erwachsene betroffen. «Aber man müsste das so ausformulieren, dass im Fall von betroffenen Kindern die Strafe härter ausfällt.»
Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität
Martin Steiger sieht das anders. Der Jurist und Anwalt für digitales Recht sagt, dass Sexting-Täter heute schon verurteilt werden könnten. Für ihn reichen die bestehenden Normen im Strafgesetzbuch aus.
Das seien keine Behelfsstraftatbestände, mit denen Amherd argumentiert, sagt Steiger. «Kinderpornografie, Nötigung, Erpressung, Ehrverletzung – das sind alles gravierende Straftaten! Sexting hingegen ist ja zuerst einmal nur der Austausch von Bildern zwischen Personen, die sich im Idealfall vertrauen. Erst wenn dies missbraucht wird, haben wir ein Problem.»
Ein Problem, das heute am Bezirksgericht Uster von allen Seiten beleuchtet wurde und für die Beteiligten fatale Folgen haben kann.