Die ETH Zürich erhält eine Millionenspende der Dieter Schwarz Stiftung und expandiert nach Heilbronn, wo ein neues Lehr- und Forschungszentrum entstehen soll. Joël Mesot, Präsident der ETH Zürich, spricht zudem über die Sparpläne des Bundes.
SRF: Dem Bund fehlen nächstes Jahr 2.5 Milliarden Franken. Von den Sparmassnahmen ist auch die ETH betroffen. Sie wehren sich gegen die Kürzungen. Wenn alle sparen müssen, warum nicht auch die ETH?
Joël Mesot: Ich verstehe die komplizierte Situation des Bundesrates. Mehrere Faktoren spielen dabei eine Rolle. Einerseits muss der Bund wegen der Schuldenbremse sparen. Andererseits sind 65 Prozent der Bundesausgaben gebunden und können nicht gekürzt werden. Wir als ETH sind in den restlichen 35 Prozent.
Wir müssen uns fragen, welches Bildungssystem wir in der Schweiz wollen.
Die ETH ist also von den Sparmassnahmen des Bundes überdurchschnittlich betroffen. Wir sprechen von vier Prozent Kürzung, und das ohne Berücksichtigung der Teuerung. Wenn man bedenkt, dass sich die Zahl der Studierenden in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt hat und das Budget nahezu gleich geblieben ist, beträgt die reale Kürzung zehn Prozent.
Kann der Anstieg der Studierendenzahlen nicht gestoppt werden, wenn das Geld an der ETH knapp wird?
Ja, das könnten wir tun. Aber ich finde das nicht schweizerisch. Bei uns kann jeder an den besten Universitäten studieren. Mit einem Aufnahmestopp würde dieses Prinzip verletzen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Studiengebühren zu erhöhen. Das könnte zu amerikanischen Verhältnissen führen, sodass die Studierenden nach dem Abschluss hoch verschuldet ins Berufsleben starten. Wir müssen uns fragen, welches Bildungssystem wir in der Schweiz wollen. Mein Vorschlag wäre ein Runder Tisch, an dem wir gemeinsam mit der Politik darüber diskutieren und nach Lösungen suchen.
Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass die ETH eine Millionenspende von der Dieter Schwarz Stiftung erhalten wird, man spricht von rund 600 Millionen Franken. Sie bekommen also auch Geld von Privaten.
Ja, aber das muss man relativieren. Einerseits werden die Verträge mit der Stiftung laufend bearbeitet und verhandelt, wir kennen nur eine ungefähre Grössenordnung der Spende. Andererseits erstreckt sich diese Spende über 30 Jahre, das sind ein bis zwei Prozent unseres Budgets. Wir bräuchten das Fünffache, um die Kürzung auszugleichen.
Ist die Unabhängigkeit der Forschung durch solch eine Grossspende gefährdet?
Die Bedingungen, die zwischen der ETH und der Schwarz-Stiftung vereinbart wurden, sind für uns der Idealfall. Die ETH kann sowohl über die Forschungsfelder als auch über die Besetzung der Professuren selbst entscheiden. Es macht praktisch keinen Unterschied, ob wir das Geld vom Bund oder von der Stiftung bekommen. Die einzige Vorgabe ist, dass wir im Bereich der Digitalisierung forschen.
Mit dem Geld will die ETH nach Deutschland expandieren. Warum Heilbronn?
Das Zentrum in Heilbronn wird vor allem zur KI forschen. Die Welt steht vor gigantischen Herausforderungen, die wir nur gemeinsam lösen können. Die Komplexität erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Institutionen. Genau das ist die Vision von Dieter Schwarz, in Heilbronn ein internationales Zentrum aufzubauen.
Das Gespräch führte Simone Hulliger, Mitarbeit Géraldine Jäggi.