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Fall Pierre Maudet «Ein Erdbeben in der Genfer Politik»

Der Genfer Staatsanwalt ermittelt gegen den Regierungspräsidenten. Reaktionen und Einschätzungen im Überblick.

Darum geht es: Der Genfer Regierungspräsident Pierre Maudet wurde laut der Staatsanwaltschaft von Kronprinz Scheich Mohamed Bin Zayed bin Al-Nahyan im November 2015 nach Abu Dhabi eingeladen. Der Kronprinz soll die Flüge und die Unterkunft für Maudet, seine Familie und seinen Stabschef im Wert von mehreren 10'000 Franken bezahlt haben. Der Staatsanwalt hat deshalb Ermittlungen gegen Maudet wegen Vorteilsnahme angekündigt.

Das ist noch unklar: Derzeit ist offen, ob Maudet für die Reise nach Abu Dhabi eine Gegenleistung erbracht hat. Die Staatsanwaltschaft erklärte nur, dass mehrere Akteure aus der Genfer Immobilienbranche an der Organisation der Reise beteiligt gewesen sein sollen. Wer, ist nicht bekannt. «Über die Hintergründe gibt es keine Informationen», sagt SRF-Westschweizkorrespondent Andreas Stüdli.

So reagiert die Politik: Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft platzte am Donnerstag mitten in eine Debatte des Kantonsparlaments, bei der auch Maudet anwesend war. «Die Erklärung sorgte für ein Erdbeben in der Genfer Politik», sagt Stüdli.

Viele Politikerinnen und Politiker hätten sich verblüfft gezeigt, die SP und die alternativen Linken Maudets Rücktritt verlangt. Seine Partei, die FDP, kommentierte die Affäre bislang jedoch nicht. «Aber sogar die CVP, die traditionelle Bündnispartnerin der FDP in Genf, zeigte sich erschüttert über die Enthüllungen.» Im Genfer Kantonsparlament zeichne sich eine Mehrheit für die Aufhebung von Maudets Immunität ab.

So reagiert Maudet selbst: Maudet persönlich kommentierte die Affäre am Donnerstag nicht. Sein Anwalt kündigte an, dass der Regierungspräsident mit der Aufhebung der Immunität einverstanden sei und so bald wie möglich von der Staatsanwaltschaft einvernommen werden wolle.

Das sagt die Genfer Regierung: Sie traf sich am Donnerstagabend kurzfristig zu einer Sondersitzung. Danach teilte sie mit, dass sie Kenntnis von der Affäre und von Maudets Bereitschaft zur Aufhebung seiner Immunität nehme. Angesichts der bevorstehenden Entscheide wolle sie aber keine voreiligen Schlüsse ziehen.

Das schreiben die Zeitungen: «In Genf reiben sich alle die Augen», sagt Stüdli. Die Zeitung «Tribune de Genève» titelt mit «La faute», auf Deutsch «die Verfehlung». Auch im Kommentar zeigt man sich verblüfft darüber, dass ausgerechnet Maudet, bekannt für seine harte Hand gegenüber Kriminellen, die Öffentlichkeit über seine Reise angelogen haben soll. «Le Temps» fragt sich auf der Titelseite, ob Maudet diese Affäre überleben wird.

So geht es weiter: Das Genfer Kantonsparlament muss nun über die Immunität Maudets entscheiden. «Er ist massiv unter Druck geraten», sagt Stüdli. Im weiteren Verlauf hänge alles von Maudet selbst ab, selbst im Fall einer Verurteilung. Denn in der Genfer Politik gebe es kein Amtsenthebungsverfahren.

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