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Falsche Abrechnungen Nach Postauto AG: Weitere ÖV-Firmen bezogen zu viel Subventionen

  • Drei weitere Schweizer ÖV-Unternehmen haben zu hohe Subventionen bezogen. Es gehe um rund 12 Millionen Franken plus Zinsen, teilt das Bundesamt für Verkehr (BAV) mit.
  • Betroffen sind die Bus Ostschweiz AG, die Freiburgischen Verkehrsbetriebe (TPF) und die Standseilbahn St. Imier – Mont Soleil.
  • Nach dem «Fall Postauto» der 2018 bekannt geworden war, sind bereits bei BLS, SBB und den Verkehrsbetrieben Luzern überhöhte Subventionsbezüge entdeckt worden.
  • Der grösste Teil des Geldes – fast 300 Millionen Franken – wurde inzwischen an Bund und Kantone zurückbezahlt.

Bei den TPF geht es laut einer Mitteilung des Bundesamts für Verkehr (BAV) um Werbeeinnahmen und Erlöse aus Versicherungen. Diese soll das Unternehmen nicht wie vorgeschrieben in den abgeltungsberechtigten Sparten verbucht haben. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sollen die TPF rund sechs Millionen Franken zu viel bezogen haben. Dazu kommen die Zinsen.

Nach Fragen eines Regionalrats respektive des Kantons Freiburg stellte die Revision des BAV laut der Mitteilung Unregelmässigkeiten fest. Federführend für die weitere Aufarbeitung und Rückzahlung ist der Kanton Freiburg als hauptbetroffener Besteller der Verkehrsleistungen. Der heutige Chef der SBB, Vincent Ducrot, war von 2011 bis 2020 Direktor der Freiburgischen Verkehrsbetriebe.

Ducrot: «Bin nicht einbezogen»

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Vincent Ducrot im Porträt
Legende: Keystone / Archiv

SBB-Chef Vincent Ducrot gab via SBB-Medienstelle bekannt, er habe zur Kenntnis genommen, dass – trotz zahlreicher Kontrollen – kürzlich fehlerhafte Verbuchungen bei den TPF entdeckt worden seien.

«Ich bin überzeugt, dass die TPF diesen Fall so gut wie möglich zusammen mit den Bestellern lösen werden – wie ich es auch getan hätte, wenn ich als TPF-Chef damit konfrontiert gewesen wäre.» Er selber sei nicht in die Untersuchungen einbezogen.

Die Freiburgischen Verkehrsbetriebe TPF gingen im Jahr 2000 aus der Fusion der damaligen GFM (Greyerz-Freiburg-Murten) mit den Stadtfreiburger Verkehrsbetrieben (TF) hervor. Das Unternehmen betreibt Bus- und Zuglinien im Kanton Freiburg und den Anrainerkantonen.

Die Bus Ostschweiz AG soll vollständig abgeschriebene Busse an ein Tochterunternehmen verkauft haben. Dieses vermietete laut Mitteilung die Fahrzeuge von 2012 bis 2019 zu überhöhten Kosten zurück an die subventionierte Muttergesellschaft. Es stehe der Verdacht im Raum, schreibt das BAV, dass dieses Vorgehen gewählt worden sei, um das seit 2011 geltende explizite Verbot von Überabschreibungen zu umgehen.

Die Schadenssumme im regionalen Personen- und Ortsverkehr beträgt laut BAV rund 5.5 Millionen Franken. Federführend bei der Aufarbeitung ist der Kanton St. Gallen. Das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons hatte die kantonale Finanzkontrolle im August 2020 beauftragt, eine subventionsrechtliche Prüfung vorzunehmen.

Bus Ostschweiz AG: «Vorgehen war ungeschickt»

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Die Bus Ostschweiz AG nannte die Vorgehensweise in Widnau (SG) vor den Medien «aus heutiger Sicht ungeschickt». Die Gewinne seien in die Infrastruktur und die E-Mobilität investiert worden.

2018 habe die Unternehmensgruppe ihre internen Finanzflüsse und Verrechnungen überprüft, heisst es in der Mitteilung. Dabei seien Strukturen und Prozesse entdeckt worden, welche nicht mehr den gängigen Standards entsprochen hätten. Deshalb habe vor bald zwei Jahren im Unternehmen ein Systemwechsel stattgefunden.

Der Verwaltungsrat und die Unternehmensleitung der Bus Ostschweiz AG wollen nach eigenen Aussagen die Vergangenheit aufarbeiten. Der erwirtschaftete Gewinn der Unternehmen sei laufend in neue Mobilitätslösungen sowie in zeitgemässe Infrastruktur investiert worden. «Es wurden weder Dividenden noch überhöhte Boni ausbezahlt», wird Verwaltungsratspräsident Daniel Wild zitiert. Einen gruppeninternen Gewinn aus der «Zurverfügungsstellung» der Fahrzeuge gebe es seit 2020 nicht mehr.

Bei der Standseilbahn im Berner Jura geht es um Unregelmässigkeiten in der Rechnungsführung und um einen Betrag von unter einer Million Franken. Der Fall wird vom Kanton Bern vertieft aufgearbeitet.

Fünf weitere ÖV-Unternehmen betroffen

Nach dem 2018 bekannt gewordenen «Fall Postauto» hatten BAV und Kantone auch überhöhte Subventionsbezüge durch die BLS, die SBB, die Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) sowie durch ein holländisches Schienengüterverkehrsunternehmen (Shuttlewise) entdeckt. Der grösste Teil des Geldes – annähernd 300 Millionen Franken – wurde inzwischen an Bund und Kantone zurückbezahlt. Ausgenommen ist die VBL, welche die Rückzahlungsverfügung gerichtlich angefochten hat.

Die BLS hatte zwischen 2012 und 2018 im Regional- und Ortsverkehr Halbtax-Erlöse aus dem «Libero»-Tarifverbund nicht in die Abgeltungsgesuche eingerechnet und so zu hohe Subventionen erhalten. Die Postauto Schweiz AG bezog mindestens zwischen 2007 und 2015 zu hohe Subventionen von Bund und Kantonen. Die Post-Tochter verbuchte Erträge aus dem subventionierten regionalen Personenverkehr in der Sparte «Übriges». Bei der Berechnung der nicht gedeckten Kosten, die von Bund und Kantonen getragen werden, resultierte so ein zu hoher Betrag.

Einschätzung von Bundeshausredaktor Gaudenz Wacker

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«Bei allen drei Fällen geht es darum, dass ÖV-Betriebe möglicherweise zu viele Subventionen bekommen haben. Teilweise steht der Verdacht der Trickserei im Raum, ähnlich wie bei den früheren grossen Fällen. Die Bus Ostschweiz AG mit mutmasslichen Verschachtelungen in Tochterfirmen dürfte der heikelste sein. Ob er strafrechtlich relevant ist, muss sich zeigen.

Ein grundsätzliches systemisches Problem besteht aber wohl nicht mehr, da die grossen Fälle bekannt sind. Teilweise sahen sich manche Verkehrsbetriebe auch schlicht in einer widersprüchlichen Lage. So gab es zum einen Gewinnerwartungen der Politik, zum anderen wurden sie von der Aufsicht auf ein Gewinnverbot hingewiesen.

Seit der Postauto-Affäre kann endgültig niemand mehr sagen, er hätte nichts gewusst. Die Beteiligten sind sensibilisiert, und es wird genauer hingeschaut. Die Postauto-Affäre hat auch Folgen auf Gesetzesebene. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des Personenbeförderungs-Gesetzes wird zurzeit im Parlament beraten. Neu soll zur vollständigen Klarheit ein Gewinnverbot für subventionierte Regionalverkehrsbetriebe festgeschrieben werden.»

SRF 4 News, 09.12.2021, 10:00 Uhr ; 

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