Etwa 8000 Menschen sind in der Stadt Bern als Wochenaufenthalterinnen oder Wochenaufenthalter gemeldet. Das heisst: Sie bezahlen nicht in Bern Steuern, sondern an ihrem eigentlichen Wohnsitz, obwohl sie unter der Woche eben in der Stadt Bern leben.
Entscheidend ist dabei der sogenannte Lebensmittelpunkt: Wo sich dieser befindet, bezahlt man auch seine Steuern.
Die Krux: Nicht alle nehmen es mit der Wahrheit so genau. Weil sich einige hundert Personen fälschlicherweise als Wochenaufenthalter melden, geht der Stadt Bern viel Geld durch die Lappen. Die Stadt Bern hat zudem errechnet: Würden alle Wochenaufenthalter in Bern ihre Steuern bezahlen, kämen so jährlich 24 Millionen Franken zusammen.
In Bern will fast niemand freiwillig Steuern bezahlen
Wer die Wahl hat, in Bern oder in einem anderen Kanton seine Steuern zu entrichten, wählt wohl einen anderen Kanton. Denn Bern gehört je nach Einkommen zu den teuersten Kantonen der Schweiz, zusammen mit Waadt, Basel-Landschaft und Genf. In den anderen Kantonen fällt die Steuerrechnung tiefer aus. Der Anreiz, sich in Bern «nur» als Wochenaufenthalter zu melden, besteht also.
Zudem kann man mit diesem Status unter Umständen auch am eigentlichen Wohnsitz höhere Steuerabzüge geltend machen – zum Beispiel für die Fahrt an den Arbeitsort. Das ist legal, solange sich der Lebensmittelpunkt auch wirklich nicht in der Stadt Bern befindet.
In Bern leben viele nur temporär, dessen ist sich der Stadtberner Steuerverwalter Moritz Jäggi bewusst: «Bern hat eine besondere Stellung: Bern ist Bundeshauptstadt, Kantonshauptstadt, Politzentrum – viele Leute leben hier, aber nicht alle permanent. Da sind viele Top-Shots dabei, die steuerlich interessant sind.» Nicht interessant sind hingegen die Studierenden.
Wie Bern die falschen Wochenaufenthalter entlarvt
Bei acht Angestellten der Stadtberner Steuerverwaltung gehört es zum Job, diejenigen Wochenaufenthalterinnen und -aufenthalter zu finden, die ihren Lebensmittelpunkt eigentlich in Bern haben. Diese müssten in der Stadt Steuern zahlen; immerhin profitieren sie im Gegenzug zum Beispiel auch von der Infrastruktur.
Weitere Familienmitglieder in der gleichen Stadt – das ist verdächtig.
Zuerst erhalten diejenigen, die ins Visier der Steuerverwaltung gerückt sind, einen einfachen Fragebogen zu ihrem Leben in der Stadt. Die Angaben werden dann mit alten Angaben verglichen.
Wenn Zweifel an den Aussagen bestehen, werden laut Moritz Jäggi weitere Unterlagen eingefordert und unter Umständen wird eine mündliche Befragung durchgeführt. Wie wohnen Sie? Was machen Sie hier? Wo verbringen Sie Ihre Freizeit? Verdächtig sei beispielsweise, wenn andere Familienmitglieder ebenfalls in der Stadt Bern gemeldet sind.
«Wir haben die schwierige Aufgabe, nach möglichst objektiven Massstäben den Lebensmittelpunkt zu bestimmen», so Jäggi. Mehrere hundert Personen pro Jahr sehen nach der Befragung ein, dass sie keine richtigen Wochenaufenthalter mehr sind. Bei etwa 200 Personen geht die Stadt Bern sogar den juristischen Weg.
Das Resultat: Etwa eine Million Franken Steuergeld kann die Stadt Bern pro Jahr so zusätzlich einnehmen. Aber Moritz Jäggi geht davon aus, dass Bern eben rund 23 Millionen Franken zusätzlich zustünden.
Abschaffung des Wochenaufenthalters?
Der Stadtberner Steuerverwalter würde den Status des Wochenaufenthalters gerne abschaffen. Zuständig für die Steuergesetzgebung ist allerdings nicht die Stadt. Die Frage wird auf eidgenössischer Ebene geregelt. Und der Nationalrat hat jüngst eine entsprechende Änderung abgelehnt.