«Schade, dass die finanzpolitischen Argumente überhand genommen und den Ausschlag für ein Nein gegeben haben», sagt SVP-Nationalrätin Nadja Pieren stellvertretend für die Befürworter der Familieninitiative.
Die Bernerin wirft den Gegnern vor, mit falschen Zahlen operiert zu haben. Indem für den Fall einer Annahme Steuerausfälle von 1,4 Milliarden Franken bei Bund und Kantonen prognostiziert worden seien, sei das Volk angelogen worden.
Herzog erteilt künftigen Familienvorlagen Absage
Ihre Parteikollegin Verena Herzog sprach von Schwarzmalerei der Gegner im Vorfeld der Abstimmung. Die kantonalen Finanzdirektoren würden Familienabzüge bevorzugen, aber da leide dann das Gewerbe, so Herzog.
Vor dem Hintergrund des jetzigen Resultats stellte Herzog infrage, ob sie oder ihre Partei künftige familienfreundlichen Anliegen – wie zum Beispiel geplante Anliegen der CVP – unterstützen werde.
Besondere Genugtuung bei CVP-Frauen
Tatsächlich betonen die Initiativ-Gegner befürchtete Steuerausfälle für Bund und Kantone. Claudine Esseiva, Generalsekretärin der FDP-Frauen, meint: «Wir freuen uns sehr, dass die sachlichen Argumente die Stimmbevölkerung überzeugt haben und wir keinen steuertechnischen Unsinn in unserer Verfassung haben.» Die Leute hätten gemerkt, die Verpackung sei zwar schön, doch der Inhalt sei gegen die Familie gewesen.
Auch bei den CVP-Frauen herrscht grosse Genugtuung. Die Stimmbürger seien nicht einer emotional aufgeladenen Initiative auf den Leim gekrochen, sagt ihre Präsidentin Babette Sigg. Für die CVP-Frauen ist es ein besonderer Sieg. Sie hatten sich gegen den Willen der Parteileitung gegen die Familieninitiative gewehrt. Und damit auch die Parteibasis auf ihre Seite gezogen.
Yvonne Feri, Präsidentin SP-Frauen, ist überzeugt, dass ihre Partei wichtige Überzeugungsarbeit geleistet habe. Sie hätten aufgezeigt, dass es sich bei der Familieninitiative um eine Mogelpackung gehandelt habe. Konkret: wie viel die Initiative die Kantone gekostet hätte und welche Familien profitiert hätten – nämlich ganz wenige.
Votum für fortschrittliche Familienpolitik
Travail Suisse zeigt sich ebenfalls erfreut über das Resultat. Der Dachverband der Arbeitnehmenden bezeichnet die SVP-Initiative als rückwärtsgewandt. Nun sei der Weg frei, sich den wirklichen familienpolitischen Herausforderungen zu stellen.
Experten sehen noch weitere Gründe für das Scheitern der Familieninitiative. Claude Longchamp vom Forschungsinstitut gfs.bern verweist auf mindestens zwei Punkte – neben den befürchteten Steuerausfällen: «Das Thema wurde von der Politik vernachlässigt und hat deshalb hohe Sympatiewerte erreicht.»
Zudem könne man im Vergleich zu Kampagnen früherer SVP-Initiativen klar sagen, dass die Familieninitiative von den Initianten am wenigsten unterstützt worden sei.