Im grossen Gerichtssaal spielen sie eine kleine Rolle: Die Gerichts-Dolmetscher. Sie sorgen dafür, dass sich alle untereinander verstehen. Immer mehr Kantone geben dieser Rolle Gewicht. Eine SRF-Umfrage zeigt, dass von 26 Kantonen aktuell 17 Kantone Richtlinien für die Qualitätssicherung haben – oder sie verlangen Kurse mit erfolgreich abgeschlossenen Prüfungen, bevor ein Dolmetscher an einen Prozess darf. Schweizweite Richtlinien gibt es keine.
Grosse Kantone oder Kantone mit einer grossen Bevölkerung haben Zulassungsbestimmungen – ausser der Kanton Aargau. Und das sorgt für Probleme. Übersetzte Aussagen müssen präzis sein; das Verständnis für juristische Begriffe muss vorhanden sein. Im Aargau gab es in den letzten 12 Monaten zwei Fälle, in denen mangelhafte Gerichts-Übersetzungen auffielen. In Brugg und Rheinfelden mussten die Dolmetscher ausgewechselt werden, weil sie falsch übersetzt hatten. Beide Fälle kamen per Zufall ans Licht.
Es dauert, bis auch im Aargau Regeln gelten
Im Aargau habe man die Wichtigkeit von Zulassungsrichtlinien erkannt, heisst es auf Anfrage bei den Aargauer Gerichten. Das Thema werde «prioritär behandelt», eine Arbeitsgruppe beschäftige sich damit und kläre aktuell, welche rechtlichen Grundlagen nötig seien. Es brauche aber mehr Zeit, weil auch Polizei, Staatsanwaltschaft und Migrationsamt eingebunden werden sollen. Bis es so weit sei, dauere es noch zwei bis drei Jahre, heisst es in der schriftlichen Stellungnahme.
Der Aargau müsste das Rad nicht neu erfinden.
Für die Oltner Strafrechtsprofessorin Nadja Capus ist das nicht ganz nachvollziehbar. «Der Aargau müsste das Rad nicht neu erfinden. Der Kanton Zürich bietet interkantonale Kurse an, an denen praktisch alle Nachbarkantone des Aargaus auch beteiligt sind.» Tatsächlich haben sich Solothurn, Basel-Landschaft und Basel-Stadt dem Zürcher System angeschlossen, zusammen mit Schaffhausen und Zug. Wer in diesen sechs Kantonen als Gerichtsdolmetscher arbeiten will, muss einen zweieinhalb-tägigen Kurs absolvieren, plus Prüfung.
Schweizweite Regeln nötig?
«Wir sind seit 2015 dabei und haben sehr gute Erfahrungen gemacht», erklärt Martin Leber, Gerichtsverwalter des Kantons Basel-Landschaft. Er nimmt auch Prüfungen ab und sagt, dass selbst Personen, die schon lange in der Schweiz leben, teils zu wenig gut Deutsch können, um die Arbeit richtig zu machen. Er fordert schweizweit ähnlich strenge und vor allem einheitliche Zulassungsbestimmungen – und ist damit nicht allein.
Strafrechtsprofessorin Capus, die sich an der Universität Neuenburg mit dem Thema Gerichtsdolmetscher enger befasst hat, haut in die gleiche Kerbe und warnt vor den Folgen, wenn Dolmetscherinnen und Dolmetscher ohne genügende Ausbildung bei Prozessen übersetzen. «Fehlurteile sind tatsächlich möglich und sie kommen auch vor. Das Aufdecken von Fehlurteilen ist allerdings eher schwierig, weil: Wenn keine Sprachkontrolle durchgeführt wird, wird man auch nicht feststellen, dass ein Dolmetscher falsch übersetzt hat.».
Fehlurteile sind tatsächlich möglich und sie kommen auch vor.
Capus spricht auch finanzielle Folgen an: «Die Kosten sind sehr hoch, wenn wir eine Justiz betreiben, in der die Menschen nicht verstehen, was in diesen Rechtsverfahren passiert: Verfahren werden teurer, weil Beschwerden erhoben werden, weil man nicht verstanden hat, was im ersten Verfahren passiert ist. Es geht in die zweite oder dritte Instanz. Oder jemand hat schlichtweg nicht begriffen, was er falsch gemacht hat.»