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Fehlerhaftes IT-System Neue Software behindert Berner Polizei

Seit April arbeitet die Berner Kantonspolizei mit einem neuen IT-System. Dieses hat aber noch viele Kinderkrankheiten.

Es kommt äusserst selten vor, dass sich Polizistinnen und Polizisten direkt an die Medien wenden. Die neue Vorgangsbearbeitungssoftware Nevo/Rialto scheint jedoch aktuell die Basis derart zu beschäftigen, dass sich gleich mehrere Mitarbeitende der Kantonspolizei Bern unabhängig voneinander beim SRF Regionaljournal Bern Freiburg Wallis gemeldet haben.

Die neue Software macht nur Probleme

Seit April müssen sie an der Front mit dieser Software arbeiten. Im Programm wird erfasst, was im Alltag die Polizistinnen und Polizisten beschäftigt: sei es der Verkehrsunfall, das Drogendelikt, die häusliche Gewalt oder die Meldung über das gestohlene Fahrrad. Drei Monate später, berichten die Informantinnen und Informanten, sollen sich die Probleme damit häufen. «Wir fühlen uns als Versuchskaninchen und müssen nun helfen, die Fehler im Programm zu finden», erzählt einer der Polizisten. Ende Juni seien beim Support immer noch 600 Fehlermeldungen unbeantwortet gewesen.

Polizeiauto.
Legende: Wegen der fehlerhaften IT-Software sei die Präsenz ausserhalb der Wache geringer als früher. Keystone

Wie mehrere Polizistinnen und Polizisten bestätigen, dauerte die Bearbeitung eines einfachen Ausweisverlustes am Schalter mit der alten Informatik rund 5 Minuten. Nun brauche dieses für die Polizei einfache Geschäft fast eine Stunde. «Mittlerweile bitten wir die Kunden, ihre Einkäufe erledigen zu gehen, weil es so lange dauert, bis wir fertig sind.»

Nicht nur langsam, sondern auch fehleranfällig

Hinzu kommt: Das Programm scheint auch nicht zuverlässig zu arbeiten. Wie die Informantinnen und Informanten berichten, soll es bei Einvernahmen auch schon vorgekommen sein, dass beim Abschluss sämtliche Aussagen der Betroffenen verloren gegangen seien. Die Folge: Die Einvernahme musste wiederholt werden.

Wir können unseren Auftrag nicht mehr so erledigen, wie das von der Polizei eigentlich erwartet wird.
Anonymer Polizist

Sie beklagen sich auch darüber, dass durch den zusätzlichen Zeitaufwand, den die neue Fallführungssoftware mit sich bringt, die Präsenz ausserhalb der Wache abnehme. «Wir können unseren Auftrag nicht mehr so erledigen, wie das von der Polizei, einer kantonalen Behörde, eigentlich erwartet wird.»

Hinzu kommt die Beschwerde, dass die neue Vorgangsbearbeitung auf die Stimmung im Korps drücke. «Wer sich bereits einen Wechsel zu einem anderen Korps überlegt hatte, hat wegen Nevo/Rialto jetzt einen Grund mehr, bei der Kantonspolizei Bern zu künden».

Das sagt die Kantonspolizei zu den Vorwürfen

Die Medienstelle der Kantonspolizei Bern bestätigt die Recherche des Regionaljournals. Aktuell sei noch eine grössere Anzahl an Fehlermeldungen pendent, schreibt diese. Und bestimmte Arbeiten an der Front würden tatsächlich mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Die Einführung der Software müsse jedoch als «Generationenprojekt» bezeichnet werden. Die Einführung einer völlig neuen, bisher in der Schweiz einzigartigen Anwendung, dürfe in Bezug auf die Ausbildung sowie die Angewöhnungszeit nicht unterschätzt werden. «Gerade während der Einführungsphase müssen wir einen grösseren zeitlichen Aufwand für die Erfassung der Daten akzeptieren», heisst es.

Die Medienstelle bestätigt auch, dass sich die Fehler auf die Bevölkerung ausgewirkt haben. Viele Fehler seien jedoch bereits lokalisiert und behoben worden. Weiter bestätigt die Kantonspolizei, dass wegen Systemunterbrüchen bei Einvernahmen Daten verloren gegangen sind. Das Fehlverhalten der Software habe zu teilweise sehr belastenden Situationen geführt, so die Medienstelle.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 06:31 Uhr

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