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Fernmeldegesetz Illegale Werbeanrufe: Bei Anruf Ärger

Wer einmal ins Visier von Callcentern geraten ist, wird sie kaum mehr los. Eine Gesetzesänderung soll Abhilfe schaffen.

Herbst ist traditionell die Zeit, in der am meisten Werbeanrufe getätigt werden – Krankenkassenmakler versuchen Versicherte zum Wechseln zu bewegen. Die Krankenkassenverbände versuchen das Problem mit einer Branchenvereinbarung einzudämmen, Kontaktaufnahme ohne vorgängige Einwilligung wird verboten

Doch dies nützt bei vielen anderen unerwünschten Werbeanrufen nichts. Unbekannte Callcenter wählen vom Ausland aus wahllos Schweizer Nummern. Der «Espresso»Reporter selbst hat in den letzten Wochen täglich mehrere solche Anrufe erhalten. Die Callcenter-Mitarbeiter stellen sich als Angestellte von «Datacall» vor, möchten eine «Umfrage in der Schweizer Bevölkerung» machen oder möchten wissen, ob der Angerufene gerne Wein habe.

Unbekannte Nummern ignorieren oder blockieren

Es nützt alles nichts: weder der freundliche Hinweis, man solle nicht mehr anrufen, noch sofortiges Auflegen, noch die Aufforderung, man wolle den Vorgesetzten sprechen. Spätestens am nächsten Tag klingelt das Telefon erneut – mit einer neuen Nummer, sodass auch das Blockieren der Nummern nichts bringt.

Sara Stalder von der Stiftung von Konsumentenschutz SKS kennt das Problem. Bei ihrer Liste der grössten Konsumentenärger-Themen 2020 liegt die unerwünschte Telefonwerbung auf Rang 2 – hinter coronabedingten Streitigkeiten um Konsumverträge. Stalder sagt, am effektivsten sei es, unbekannte Nummern zu sperren – oder Anrufe von diesen einfach nicht abzunehmen.

Doch es sei auch klar, dass dies nicht für jeden Mobilnutzer praktikabel ist, zum Beispiel bei Angestellten, die ihr Handy über das Geschäft laufen lassen und erreichbar sein müssen. Auch wer sich von Polizei oder Behörden Hilfe erhofft, wird im Fall von Telefonterror enttäuscht – sie können im Einzelfall nichts ausrichten

Das Seco ist machtlos

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Das Staatssekretariat für Wirtschaft schreibt uns zum Fall der illegalen Werbeanrufe aus dem Ausland:

«Uns ist bekannt, dass unter der Bezeichnung ‹Datacall› mit regelmässiger Änderung der Absendernummer Werbeanrufe getätigt werden. Deshalb dürfte ein sogenannter «Spoofing-Fall» vorliegen. Weder das SECO noch die – im Gegensatz zum SECO – mit Untersuchungskompetenzen ausgestatteten Strafverfolgungsbehörden sind in der Lage, gegen diese Geschäftspraktiken erfolgversprechend vorzugehen.»

Das Seco empfiehlt in solchen Fällen, Callfilter einzusetzen – sei es über die Provider (Sunrise und Swisscom verwenden solche Filter bereits), oder über externe Anbieter, wie zum Beispiel local.ch .

Doch die Lage ist nicht hoffnungslos: Nächstes Jahr soll mit der Revision des Fernmeldegesetzes die Flut an Werbeanrufen abnehmen. Ab 1. Januar können demnach Unternehmen belangt werden, die von unerwünschten Werbeanrufen profitieren, zum Beispiel Krankenkassen oder Versicherungen. Zudem sind ab Anfang Jahr nicht mehr nur Anrufe trotz Sterneintrag strafbar, auch Nummern, die nicht im Telefonbuch stehen, sind geschützt.

Neues Fernmeldegesetz soll Linderung bringen

Die SKS hat an vorderster Front für die Gesetzesänderung gekämpft und verspricht sich besonders ab einer Änderung Besserung, die am 1. Juli 2021 in Kraft tritt. Ab dann müssen die Telekom-Anbieter den Kunden einen Callfilter zur Verfügung stellen. Die Swisscom und Sunrise haben einen solchen Filter bereits in Betrieb – Anbieter wie Salt oder UPC müssen dies bis nächsten Sommer tun.

Ein Callfilter hat die gleiche Funktion wie ein Spamfilter bei Werbe-Mails: Unerwünschte Exemplare werden herausgefiltert und erreichen den Empfänger gar nicht. Laut Sara Stalder funktioniere dies bei Swisscom und Sunrise bereits sehr gut. Man habe deutlich weniger Beschwerden. Die Systeme erkennen eine Häufung von Anrufen von einer bestimmter Nummer, ordnen diese einem Callcenter zu und sperren die Anrufe.

Doch beim «Espresso»-Reporter scheint der Filter von Sunrise die erwünschte Wirkung zu verfehlen. Auf Anfrage erklärt das Unternehmen, der Filter habe in diesen Fällen Mühe, wo sogenanntes Spoofing eingesetzt wird, also bestehende Nummern «gekapert» werden. Diese Fälle könne der Filter nicht immer eindeutig identifizieren.

Espresso, 11.12.2020, 08:13 Uhr

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