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Finanzprobleme Kanton nimmt verschuldete Gemeinde Waldenburg BL an kurze Leine

Das Budgetdefizit 2025 ist eines zu viel: Der Kanton Baselland fordert die Gemeinde Waldenburg auf, die Steuern zu erhöhen oder ihr Freibad zu schliessen.

Einen solchen Eingriff in die Gemeindeautonomie hat es im Baselbiet seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben: Der Kanton stellt die Gemeinde Waldenburg wegen anhaltender Defizite per Weisung vor die Wahl, entweder den Steuerfuss auf mindestens 72 Prozent zu erhöhen oder das kommunale Freibad zu schliessen. Dazu müsse sie ein neues Budget für 2025 beschliessen, sonst will die Regierung Massnahmen von oben verfügen.

Hauptstrasse in Waldenburg
Legende: Die Baselbieter 1200-Seelen-Gemeinde Waldenburg am Unteren Hauenstein hangelt sich seit Jahren mit roten Zahlen durch. SRF/Roger Lange

Der Sparbefehl kommt bei den Waldenburgerinnen und Waldenburgern nicht gut an: «Auf keinen Fall das Schwimmbad schliessen», «die Steuern sind schon enorm hoch» oder «wenn das Schwimmbad wegfällt, finde ich das nicht so toll», bis zu «ich würde das Schwimmbad offen lassen und nicht rauf mit den Steuern», ist auf der Strasse zu hören.

Unverständnis im Dorf

Marcel Blättler, der seit 20 Jahren im «Leue» wirtet, räumt ein: «Wenn in meinem Betrieb Dinge nicht mehr funktionieren, muss ich die einstellen, auch wenn es mir weh tut.» Aber den konkreten Sparvorschlag lehnt auch er ab: «Ich frage mich aber, ob das Schwimmbad zu schliessen ein sinnvoller Weg ist, wenn man sieht, was heute mit den Jungen läuft.»

Auch bei den Steuern ist das Dorf schon an der Schmerzgrenze. Ein 85-jähriger Passant sagt, er müsse sich so überlegen wegzuziehen, obschon er seit 1940 in Waldenburg lebe. Mit 69.5 Prozent ist der Gemeindesteuersatz bereits der höchste in Basel-Landschaft. Die Gemeindepräsidentin hält dagegen, dass dafür Krankenkassenprämien und Mieten tiefer seien.

Ortseingang von Waldenburg
Legende: Vor einem Jahr wurde die komplett sanierte Waldenburgerbahn, die das Tal mit dem Kantonshauptort Liestal verbindet, mit besserem Fahrplan wieder in Betrieb genommen. Seither hat die Bevölkerungszahl wieder sachte zugelegt. SRF/Roger Lange

Überraschend kommt die regierungsrätliche Daumenschraube nicht, denn Waldenburg schreibt seit 2020 Bilanzfehlbeträge, und das kantonale Recht verlangt, dass solche innert fünf Jahren abgebaut werden müssen. Diese Frist läuft Ende 2024 ab.

Zur Römerzeit war der Untere Hauenstein ein wichtiger Jura-Pass. Waldenburg an der Nordflanke florierte dank dieser Handelsachse. 1858 und 1916 wurden die beiden Eisenbahntunnels jedoch in anderen Tälern gebaut. Später, 1966, wurde die Autobahn unter dem Belchen durchgeführt.

Es geht darum, die Zahlungsfähigkeit der Gemeinde sicherzustellen.
Autor: Anton Lauber Finanzdirektor Kanton Baselland

Auch dem Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber ist klar, dass die Regierungsforderungen unbeliebt sind. Aber: «Letztlich geht es darum, mittel- und langfristig die Zahlungsfähigkeit der Gemeinde sicherzustellen.»

BL-Finanzdirektor: «Der Kanton hat die Pflicht zu intervenieren»

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Anton Lauber
Legende: Der Jurist Anton Lauber (Mitte) amtiert seit 2013 als Baselbieter Finanzdirektor. Keystone/Georgios Kefalas

SRF: Steuersatz erhöhen oder Schwimmbad schliessen – warum ist diese Drohung nötig?

Anton Lauber: Das ist keine Drohung, sondern eine gesetzliche Aufgabe. So einen Bilanzfehlbetrag muss man innert fünf Jahren abbauen. Der Kanton muss aktiv werden; das Gesetz will sicherstellen, dass Gemeinden zahlungsfähig bleiben.

Waldenburg hat schon einen der höchsten Steuersätze im Kanton.

Einfach ist diese Situation garantiert nicht. Der Gemeinderat macht einen sehr guten Job. Man hat nur zwei Möglichkeiten: sparen oder bei den Steuern reagieren. Klar ist beides nicht attraktiv.

Reicht eine Steuererhöhung oder braucht es auch Einsparungen?

Einsparungen müssten zumindest das weitere Anwachsen des Bilanzfehlbetrages verhindern. Aber den bereits bestehenden muss man abbauen, also mindestens wieder auf null bringen.

Warum gerade beim Schwimmbad sparen?

Ein Schwimmbad ist teuer. Das Thema kommt sicher nicht gut an, und das würde die Attraktivität der Gemeinde tangieren. Letztlich ist es Sache des Gemeinderats, Sparmassnahmen zu definieren.

Dieser hat schon gehandelt, etwa Pensen in der Verwaltung reduziert. Reicht das nicht?

Der Gemeinderat hat den Ernst der Lage erkannt. Ich war an der Gemeindeversammlung vom März 2024. Diese beschloss nochmals ein Defizit von 457'000 Franken. Die Probleme sind also noch nicht gelöst.

Der Gemeinderat hätte gerne mehr Zeit.

Seit 2020 analysieren wir mit dem Gemeinderat die Situation. Wir haben schon mehrmals Härtefallbeiträge bezahlt und eine externe Begleitung finanziert. Jetzt wurde es Zeit, einen Gang hochzuschalten.

Könnte der Kanton der Gemeinde eine Steuererhöhung aufzwingen?

Wir arbeiten nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit. Mir ist wichtig, dass die Gemeindeautonomie berücksichtigt wird. Am Ende hat der Kanton aufsichtsrechtlich dieses Recht, ja sogar die Pflicht, zu intervenieren. Der Regierungsrat dürfte den Steuerfuss festsetzen oder Sparmassnahmen verfügen.

Sie hoffen, dass es nicht so weit kommt?

Das ist unser Ziel. Im Februar ist die nächste Gemeindeversammlung. Ich kann mir vorstellen, dass ich an dieser Versammlung teilnehmen werde, sofern mich der Gemeinderat einlädt.

Hat die Bevölkerung den Ernst der Lage nicht begriffen, oder warum stimmt die Gemeindeversammlung immer anders ab?

Ich verstehe die Situation der Bevölkerung. Aber wir haben – gerade in einer Exekutive – eine Gesamtverantwortung auch in finanzieller Hinsicht.

Das Gespräch führte Benedikt Erni.

Der Gemeinderat sei dran, sagt die neue Gemeindepräsidentin Andrea Sulzer: «Wir drehen jeden Stein um, den man umdrehen kann. Wir schauen jede Ausgabe an.» Es sei schon Personal bei der Verwaltung und bei der Hauswartung reduziert worden. Zudem wurden beim Schwimmbad die Öffnungszeiten gekürzt.

Diskutiert würden weitere Massnahmen wie Parkgebühren und die Zusammenlegung des Werkhofs mit anderen Gemeinden. So sieht Sulzer die Gemeinde auf Kurs: «Wir haben ein gutes Budget im Vergleich zu den Vorjahren. Und wir sind daran, die Bevölkerung auf diesem Sparkurs mitzunehmen.» Daher komme der Druck vom Kanton gerade jetzt ungelegen.

Das von der Regierung abgelehnte Budget 2025 sähe ein Defizit von 44'000 Franken vor, ein Zehntel des Vorjahresdefizits. Gemäss dem neuen Finanzplan der Gemeinde wird das Loch in der Kasse bis 2030 gestopft.

Andrea Sulzer in der Gemeindeverwaltung
Legende: Andrea Sulzer wurde im Oktober 2022 zur Waldenburger Gemeinderätin gewählt und übernahm die Finanzen. Per 1. Juli 2024 wurde die Grüne vom Gemeinderat zur Präsidentin erkoren. SRF/Simone Weber

Auch Andrea Sulzer fällt eine Steuererhöhung nicht leicht. Bisher sei Waldenburg als Wohnort konkurrenzfähig, doch ob 2.5 Prozent mehr Steuern das kippen lassen, wisse sie nicht. «Ich glaube, es bleibt uns nichts anderes mehr übrig. Das Risiko werden wir eingehen müssen.»

Regionaljournal Basel Baselland, 23.12.2024, 17:30 Uhr ; 

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