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Fliegen ohne Gewissensbisse Kaum einer kompensiert freiwillig CO2-Emissionen

Die Schweiz ist ein Land der Vielflieger. Doch von CO2-Kompensation wollen die Schweizer nichts wissen.

Es wird geflogen wie noch nie. Der Flugverkehr bricht Jahr für Jahr Rekorde. Besonders oft in die Luft gehen die Schweizerinnen und Schweizer. Die grenzenlose Fliegerei schafft Probleme. Die Flugzeuge stossen immense Mengen CO2 aus und schädigen das Klima massiv. Das wissen die meisten Passagiere. Und doch fliegen sie munter weiter.

Mit Kompensation das Gewissen beruhigen

Immerhin: Wer Gewissensbisse hat, kann seinen CO2-Ausstoss kompensieren. Mit einem freiwilligen Aufschlag von wenigen Franken auf das Flugticket. Kai Landwehr, Sprecher der Non-Profit-Organisation «Myclimate», erklärt das Prinzip der Kompensation.

«Die Emissionen, die beim Fliegen entstehen, haben einen Preis. Mit dem Geld werden Projekte finanziert, die mindestens gleich viel Emissionen einsparen.» Investiert wird das Geld zum Beispiel in tausende von Kochern in Indien, welche im Vergleich zu Vorgängern grosse Mengen an CO2 einsparen. So wird der Ausstoss der Flugreise kompensiert.»

Das Problem: Schweizer Flugpassagiere kompensieren nur gerade 1 Prozent ihrer CO2-Emissionen. Das zeigen Recherchen von «10vor10».

Therese Lehmann von der Universität Bern ist nicht erstaunt über die bescheidene Menge. Die Ökonomin hat die Buchungsportale der Fluggesellschaften auf Benutzerfreundlichkeit untersucht. «Wenn ich heute ein Ticket buche, kann ich oft nicht schnell und einfach den CO2-Ausstoss kompensieren.» Oft muss eine zusätzliche Website aufgerufen werden, vielen Flugticketkäufern ist das zu mühsam.

Zwang statt Freiwilligkeit

Die freiwillige Kompensation der Flugemissionen funktioniert nicht – so sieht es auch der WWF Schweiz. Für mehr Klimaschutz beim Fliegen brauche es deshalb zwingend obligatorische Massnahmen. WWF-Klimaexperte Patrick Hofstetter fordert eine Flugticketabgabe: «Sämtliche unserer Nachbarländer kennen eine solche Abgabe. Zusätzlich zum Flugpreis zahlen die Passagiere einen «Klima-Aufpreis» von bis zu 45 Franken, je nach Land und Flugstrecke.»

Gegen solche obligatorischen Abgaben wehrt sich der Branchenverband Aerosuisse seit Jahren. Im Interview mit «10vor10» sagt Aerosuisse-Präsident Thomas Hurter: «Wir sind gegen eine Insellösung nur für die Schweiz oder nur für Europa. Das führt zu Marktverzerrungen. Es braucht einen globalen Ansatz wie das Kompensationssystem CORSIA der UNO-Luftfahrtorganisation Icao.» Ob Zwang oder Freiwilligkeit für mehr Klimaschutz, beim Fliegen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die effektivste ist gemäss der Berner Professorin Therese Lehmann die Suffizienz: «Wer nicht oder nur sehr wenig fliegt, spart am meisten CO2.»

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