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Die Schweiz und die Kosovaren
Aus Echo der Zeit vom 08.02.2018. Bild: Keystone
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Flüchtlinge aus Kosovo Vorläufig aufgenommen, endgültig zurückgekehrt

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz leben gut 100'000 Menschen mit einem kosovarischen Pass.
  • Zählt man die unterdessen Eingebürgerten mit Wurzeln in Kosovo dazu, sind es fast doppelt so viele.
  • Von den Zehntausenden, die Ende der 1990er-Jahre vor dem Krieg in ihrer Heimat in die Schweiz flüchteten, bekamen nur die wenigsten dauerhaft Asyl.
  • Die Strategie lautet inzwischen: Aufbauhilfe vor Ort.

Nicht weniger als 50'000 Kosovaren waren es, die 1998 und 1999 vor dem Krieg in die Schweiz flüchteten. Hier bekamen sie ein Aufenthaltsrecht auf Zusehen hin, offiziell hiess das: vorläufige kollektive Aufnahme. Nach dem Krieg bekam das «vorläufig» ein Ablaufdatum.

Urs Hadorn, Sonderbeauftragter für die Kosovo-Flüchtlinge, sagte im Jahr 2000 vor den Medien: «Wer sich nach dem 31. Mai noch in der Schweiz befindet, muss grundsätzlich damit rechnen, dass er von den Behörden zur Rückreise nach Kosovo angehalten wird.»

Laut meinen Eindrücken ist die Sicherheitslage so, dass mit der freiwilligen wie auch der zwangsweisen Rückkehr weitergemacht werden kann.
Autor: Rutz Metzler Justiziministerin von 1999 bis 2003

Bundesrätin Ruth Metzler, die damalige Justizministerin, reiste persönlich in den Kosovo, machte sich ein Bild der Lage und sagte dort dem Schweizer Fernsehen: «Laut meinen Eindrücken ist die Sicherheitslage so, dass mit der freiwilligen wie auch der zwangsweisen Rückkehr weitergemacht werden kann.»

Die damalige Justizministerin Ruth Metzler schüttelt die Hand einer Frau, April 200 im Dorf Mushtisht.
Legende: Auf ihrem dreitägigen Besuch traf sich Metzler mit ehemaligen Flüchtlingen, die freiwillig in den Kosovo zurückgekehrt waren. Keystone

Starthilfe für eine ungewisse Zukunft

Die meisten Kosovo-Flüchtlinge nutzten die Frist, mehr als 30'000 machten sich auf den Rückweg – nicht mit leeren Händen: «Diese Menschen erhielten eine Starthilfe – rund 2000 Franken – kombiniert mit einer Materialhilfe vor Ort», sagt Lukas Rieder, Mediensprecher beim Staatssekretariat für Migration (SEM).

Schliesslich kehrten rund 40'000 freiwillig oder unfreiwillig zurück – 80 Prozent der ursprünglich Geflohenen. Der Bund unterstützte in den Jahren darauf den Wiederaufbau Kosovos, aber dieser gestaltete sich schwierig.

Die Rückkehrer haben nicht immer Erfolg, die Situation ist schwierig. Im Kosovo herrscht Arbeitslosigkeit, die Leute haben keine Perspektive.
Autor: Micheline Calmy-Rey Aussenministerin von 2003-2011

2005 besuchte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey Kosovo und traf sich mit Rückkehrern: «Sie haben nicht immer Erfolg, die Situation ist schwierig. In Kosovo herrscht Arbeitslosigkeit, die Leute haben keine Perspektive.»

Die damalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey mit mit dem damaligen kosovarischen Präsidenten Fatmir Sejdiu.
Legende: Noch im Jahr der Unabhängigkeit eröffnete die Schweiz ihre Botschaft in Kosovo. Im Bild: Die damalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey mit dem damaligen kosovarischen Präsidenten Fatmir Sejdiu. Keystone

Die Aussenministerin sprach sich schon damals für die Unabhängigkeit aus. Sie würde die Lage in Kosovo verbessern, war Calmy-Rey überzeugt: wirtschaftlich, sozial und von den Menschenrechten her. Drei Jahre später war die Schweiz dann eines der ersten Länder, das Kosovo anerkannte.

Kaum mehr Asyl seit der Unabhängigkeit

Eine neue Rückkehrwelle löste die Unabhängigkeit nicht aus. Zwischen 2008 und 2010 verliessen nur gut 300 Kosovaren die Schweiz. Die Schweiz regelte in dieser Zeit aber die Zusammenarbeit mit dem jungen Staat im Asylwesen neu: Mit einem Rückübernahme-Abkommen für abgewiesenen Asylsuchende und einer sogenannten Migrationspartnerschaft.

SEM-Sprecher Rieder erklärt: «Diese Abkommen erlauben es, eine grosse Zahl an Gesuchstellern in den Kosovo zurückführen zu können – und zwar möglichst reibungslos und möglichst rasch.» Seit 2012 gilt zudem das 48-Stunden-Verfahren. Heisst: die allermeisten Asylgesuche von Kosovaren werden innert zwei Tagen behandelt.

Kritik von der Flüchtlingshilfe

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe beobachtet diese Praxis kritisch. Anne-Kathrin Glatz, bei der Flüchtlingshilfe Länderexpertin für Kosovo, weist auf die mangelhafte Gesundheitsversorgung in Kosovo hin. Darunter litten besonders Minderheiten wie die Roma, sagt sie: «Sie haben oft nicht denselben Zugang wie Angehörige der Mehrheitsgesellschaft zu den Gesundheitsdienstleistungen, die sie benötigen würden.»

Darum sei es einfach sehr wichtig, dass jeder Fall genau angeschaut werde. Ob das mit der 48-Stunden-Regel möglich sei, sei fraglich: «Wenn es um die Behandelbarkeit einer Krankheit oder um möglicherweise verletzte Minderheitenrechte geht, ist dieser Zeitraum sehr kurz, wenn man Personen vor Ort Kontakt aufnehmen muss.»

SEM: Einzelfallprüfung existiert weiter

Lukas Rieder vom Staatssekretariat für Migration dagegen betont, jedes Gesuch werde einzeln geprüft und nicht alle kämen ins 48 Stunden-Verfahren: «Asylgesuche von Personen aus Kosovo bei denen weitere Abklärungen notwendig sind, werden ausserhalb des 48-Stunden-Verfahrens behandelt.» Das gelte etwa bei medizinischen Fällen oder sehr vulnerablen Personen.

In den zehn Jahren seit der Unabhängigkeit haben 4700 Kosovarinnen und Kosovaren in der Schweiz Asyl beantragt. Die wenigsten durften bleiben: Nur jeder Hundertste bekam Asyl, weitere 17 Prozent wurden vorläufig aufgenommen, unter anderem aus medizinischen Gründen.

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