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Folter-Vorwürfe Fall Sonko: Prozess in der Schweiz zeichnet sich ab

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit einem Jahr gegen den ehemaligen gambischen Innenminister.
  • Ousman Sonko, der in der Schweiz Asyl gesucht hatte, werden Folter und sexuelle Gewalt vorgeworfen.
  • Der Tatverdacht hat sich verdichtet und Recherchen der «Rundschau» zeigen: Es zeichnet sich ein Prozess in der Schweiz ab.

Ousman Sonko sitzt seit einem Jahr in Untersuchungshaft – und soll dort vorerst auch bleiben: Das Zwangsmassnahmengericht hat letzte Woche eine Verlängerung der U-Haft um sechs Monate bewilligt. Die Bundesanwaltschaft will im Strafverfahren gegen den ehemaligen gambischen Innenminister weitere Privatkläger und Zeugen einvernehmen.

Sonko wird vorgeworfen, als Drahtzieher im langjährigen Schreckensregime des Autokraten Yahya Jammeh agiert zu haben. Dieser hatte Gambia 1996 bis 2017 mit eiserner Hand regiert. Als Innenminister und Generalinspektor der Polizei soll Sonko für willkürliche Verhaftungen, Folterhandlungen und sexuelle Gewalt durch ihm unterstelltes Personal verantwortlich sein.

Sonko war 2016 in die Schweiz geflohen und hatte um Asyl gebeten. Als die «Rundschau» im Januar 2017 publik machte, dass er unbehelligt in einem Durchgangszentrum im Kanton Bern lebte, reichte die Nichtregierungsorganisation Trial International Anzeige gegen ihn ein. Sonko wurde verhaftet, die Bundesanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Folteropfer sagen in Bern aus

Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft neben Sonko selbst mehrere Opfer und Zeugen angehört. Die Genfer Anwältin Caroline Renold vertritt zwei Folteropfer, die im Verfahren gegen Sonko als Privatkläger auftreten. Die beiden seien von den gambischen Sicherheitskräften willkürlich verhaftet worden. «Wie andere Folteropfer haben sie unter anderem Schläge und simuliertes Ertrinken erlitten.»

Sonkos Anwalt will sich zum laufenden Verfahren nicht äussern. Für den Gambier gilt die Unschuldsvermutung. Allerdings haben sich die Dinge nicht zu seinen Gunsten entwickelt: Die Gerichte haben die Verlängerung der Untersuchungshaft inzwischen viermal bewilligt. Das Bundesgericht geht in einem Urteil zur Verlängerung der Untersuchungshaft vom Dezember von einer «Verdichtung des dringenden Tatverdachts» aus.

Die Bundesanwaltschaft kommentiert das Verfahren nicht weiter. Die Recherchen zeigen aber, dass es zur Anklage kommen dürfte – und zwar in der Schweiz. Denn die neue, demokratisch gewählte Regierung Gambias hat Sonkos Auslieferung bisher nicht verlangt. Man wolle sich nicht ins Schweizer Verfahren einmischen, sagt der gambische Justizminister Abubacarr Tambadou im Interview mit der «Rundschau».

«Die gambische Regierung ist den Schweizer Behörden sehr dankbar, dass sie eine so grosse Verantwortung übernehmen und sicherstellen, dass es für all jene, die Straftaten begehen, kein Versteck gibt. Nirgendwo auf der Welt, auch nicht in der Schweiz», sagt Tambadou.

«Grösster internationaler Folter-Fall für die Schweiz»

Und selbst wenn Gambia dies wünschen würde: Eine Auslieferung Sonkos dürfte kaum möglich sein. «Man müsste Gewähr haben, dass ihn dort ein faires Verfahren erwartet, dass er weder gefoltert noch einer erniedrigenden Strafe ausgesetzt würde, und dass sicher nicht die Todesstrafe angewendet würde», sagt Folco Galli vom Bundesamt für Justiz.

Aber Gambias Institutionen sind nach zwei Jahrzehnten Diktatur ramponiert, das Justizsystem ist reformbedürftig und die Todesstrafe noch immer im Gesetz verankert. Es zeichnet sich also ein Prozess in der Schweiz ab, tausende Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt. Ihre Mandanten setzten grosse Hoffnungen in das Schweizer Verfahren, sagt Caroline Renold. «Es ist für sie ein erster Schritt Richtung Gerechtigkeit.»

Für Philip Grant, Direktor von Trial International ist das Verfahren der Bundesanwaltschaft nicht nur eine Chance für Gambia: «Für die Schweiz, die sich gerne damit brüstet, dass sie die Menschenrechte und das internationale Völkerrecht respektiert, ist das eine Art Testfall. Es kommen kaum solche Fälle vor Gericht – das wird womöglich der grösste internationale Fall in Sachen Folter, den die Schweiz je behandelt hat.»

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