Am Anfang war ein Scherz: Stefan Reimann fragte seinen Bruder Patrick, ob dieser als Baselbieter Kantonsgeometer die Grenzen seines Kantons eigentlich kenne. Aus diesem Scherz wurde ein wissenschaftliches Abenteuer: Die beiden machten sich 2020 auf, über 232 Kilometer und 1200 Höhenmeter die gesamte Kantonsgrenze möglichst exakt abzuschreiten. Der letzte Abschnitt von Augst nach Basel St. Jakob folgt Mitte Juli.
27 Wandertage innert drei Jahren brauchten die beiden, wobei die genauen Grenzen mehr als zur Hälfte weglos durch Unterholz und über steile Hänge verlaufen. Nur auf das Beklettern und Abseilen von Felsen sowie das Schwimmen mitten im Rhein verzichteten sie.
Ergebnis dieses Trips in die Kantonsgeschichte ist eine sorgfältige Dokumentation aller heute noch vorhandenen Grenzsteine aus vier Jahrhunderten; der älteste davon ist von 1626. Von den insgesamt über 2000 Grenzpunkten des Kantons Basel-Landschaft seien ursprünglich etwa 1700 physisch markiert worden, schätzt Patrick Reimann. Im Gelände gefunden hat er davon nun 1233 Markierungen, und zwei letzte sollen noch folgen.
Nicht alle Grenzpunkte würden markiert; beispielsweise in Gewässern werde oft darauf verzichtet, erklärt Reimann. Andere Steine seien wohl mit der Zeit unter dem Boden verschwunden. Mindestens ein Grenzstein sei allerdings gestohlen worden: Von einem Stein von 1761 im Lützeltal gebe es zwar Fotos, aber er sei nicht mehr da.
An manchen Grenzpunkten drängt sich wegen der Topografie nicht auf, einen behauenen Stein in den Boden zu setzen: Im Laufentaler Dorf Röschenz etwa wurden 1761 die damals aktuellen Wappen des Kantons Solothurn und des Fürstbistums Basel sieben Meter hoch über dem Boden in eine natürliche Kalkwand gemeisselt - rund 20 solche Felsmarkierungen fänden sich heute noch. Ganz anders am Rhein: Mit einem Bolzen in einem Pfeiler des Kraftwerks ist derweil ein Grenzpunkt in Augst markiert.
Sandstein, Kalk und Granit
Mitgenommen aus dieser Grenzbegehung habe er «eine Demut, was in diesen 400 Jahren alles geleistet wurde, dass es heute noch zählt und sichtbar ist.» Einige Steine trügen markante oder geschichtsträchtige Namen, etwa der Galgenstein am Gempen-Hügel. Bemerkenswertes habe er in seiner Dokumentation festgehalten.
Ein Unikum ist ein Grenzstein bei der Gemeinde Wahlen bei Laufen: Obwohl erst 2004 gesetzt, also zehn Jahre nach dem Kantonswechsel des Laufentals zum Baselbiet, ist auf einer Seite das Berner Wappen eingemeisselt. Angesichts des nicht sehr präzisen Reliefs hat Reimann den Verdacht, dass das ein nachträglicher Eingriff von Bern-treuen Laufentalern sein könnte. Auch dieser quasi gefälschte Grenzstein werde so belassen.
Ich habe eine Demut, was in diesen 400 Jahren alles geleistet wurde.
Die zwei jüngsten Baselbieter Grenzsteine stammen aus dem Jahr 2010 und stehen an der Grenze zum Kanton Jura. In diese wurde nebst dem roten Siebentupf-Baslerstab auch das Jurawappen gehauen – für den Jura war dies das erste Mal seit der Kantonsgründung 1979.
Damit niemand Grenzsteine heimlich versetzt, wurden früher sicherheitshalber unverwechselbare Tonscherben als «Zeugen» darunter vergraben, als Referenz bei Grenzstreitigkeiten. Dabei wurde recht genau gearbeitet: Als die Behörden 2021 einen halb versunkenen 400-Kilo-Grenzstein auf dem Bruderholz neu platzierten, stellten sie zwischen dem Eckpunkt auf dem Stein von 1875 und dem anderthalb Meter darunter liegenden «Zeugen» eine Abweichung von nur gerade sieben Millimetern fest.