Zum Inhalt springen

Fortpflanzungsgesetz «Ein wichtiges Resultat für tausende Paare»

Die Befürworter der Vorlage zur Präimplantationsdiagnostik atmen erleichtert auf. Für sie holt die Schweiz endlich auf. Die Gegner wollen über die Bücher und schieben das Nein auch auf die Komplexität des Themas.

Dammbruch, Selektionsgefahr, Designerbabys: Offenbar haben solche Argumente beim Volk nicht gewirkt. Die Verfassungsänderung zur Präimplantationsdiagnostik (PID) wird mit 61,9 Prozent abgelehnt.

Burno Imthurn, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, ist erleichtert: «Die Abstimmung ist sehr wichtig für die vielen tausend Paare mit Kinderwunsch in der Schweiz.»

Mit der Verfassungsänderung könne nun das Fortpflanzungsmedizingesetz angepasst werden. Dies führe zu einer entscheidenden Verkürzung der Behandlung und Belastung und auch zu einer Reduktion der Kosten, welche die Paare selber tragen müssen.

All dies ist Standard in Europa, teilweise schon seit Jahrzehnten.
Autor: Bruno Imthurn Reproduktionsmediziner

Überdies führe die Vorlage zu einer Reduktion von Mehrlingsgeburten, was gesündere Kinder und gesündere Mütter zur Folge habe. Und: Die PID bringe Vorteile für Paaren mit Veranlagungen für schwerste Erbkrankheiten. «All dies ist Standard in Europa, teilweise schon seit Jahrzehnten.»

«Die Bevölkerung sieht ein, dass man Schwangerschaftsabbrüche verhindern kann, indem man gleiche Untersuchungen, die im Mutterleib möglich sind, bereits bei der befruchteten Eizelle möglich machen soll», analysiert Ruth Humbel das Abstimmungsresultat. Die Gefahr eines «Dammbruches» sieht die CVP-Nationalrätin nicht, denn in der Schweiz könne jeder Schritt einzeln gutgeheissen werden.

Die Gegner auf der anderen Seite zeigen sich enttäuscht über die Ablehnung. Die Befürworter seien die «Mitleid-Schiene» gefahren und auf der individuellen Ebene geblieben, statt eine grössere Diskussion zuzulassen. Dieser Meinung ist Susanne Lippmann-Rieder, Koordinatorin des Ärzteteams «Nein zu PID».

«Dieser Verfassungsartikel ist so breit formuliert, dass er Tür und Tor für weitere Verfahren öffnet. Die Frau fehlt, die Schwangerschaft kommt darin nicht vor. Und dies braucht es auch als Voraussetzung, falls später einmal die Leihmutterschaft oder die Embryonenspende zur Sprache kommen würden.

Wir werden uns für das Referendum einsetzen.
Autor: Susanne Lippmann-Rieder Ärztekomitee «Nein zu PID»

Bischöfe bedauern Entscheid

Box aufklappen Box zuklappen

Der Entscheid bahne den Weg zur PID, schreiben die Bischöfe. «Mit ihr wird nicht die Krankheit behandelt, sondern diese umgangen, indem die Embryonen als Träger der Krankheit beseitigt werden.» Das sei nicht zu rechtfertigen. Bei der «Selektionstechnik» masse man sich das Recht an zu entscheiden, wer es verdient zu leben und wer nicht.

Hinzu komme: «Wissenschaftlich ist die Untersuchung von Chromosomen mittels PID noch gar nicht geprüft», sagt die Ärztin. Das Ärztekomitee werde sich für das Referendum einsetzen.

«Der Verfassungsartikel tönt harmlos – er ist es aber nicht», sagt Marianne Streiff, EVP und Co-Präsidentin des nationalen Nein-Komitees. Auch das Interesse der Forschung sei sehr gross gewesen, inklusive der entsprechenden finanziellen Unterstützung.

Aus der Sicht von Suzanne Auer wurde die Vorlage wohl angenommen, weil das Thema hochkomplex.

«Es ist extrem schwierig, sich hierzu eine Meinung zu bilden», sagt die Zentralsekretärin von Agile.ch, der Dachorganisation für Menschen mit Behinderungen. «Viele Leute sind umgeschwenkt von einen Nein zu einem Ja, von einem Ja zu einem Nein.» Im Detail werde man noch analysieren müssen, was passiert sei. «Rein medizintechnische Argumente sind ethischen Überlegungen gegenübergestanden. und sich mit Ethik auseinanderzusetzen ist ganz schwierig.»

Meistgelesene Artikel