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Fragen aus der Community «Gibt es seit der Corona-Pandemie mehr Femizide?»

Das Thema Femizid beschäftigt die Schweiz. Allein Oktober wurden vier Frauen getötet, zwei weitere überlebten gemäss Stop Femizid eine Gewalttat. Wir berichteten darüber und erhielten viele Reaktionen und Anfragen der SRF-Userinnen und -Usern. In diesem Artikel versuchen wir, die wichtigsten von der Community gestellten Fragen zu beantworten.

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Aus dem Archiv: Prävention gegen Femizide
Aus Schweiz aktuell vom 21.10.2021.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 6 Sekunden.

Was genau ist ein Femizid? Gemäss dem Europäischem Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) bedeutet Femizid die Tötung von Frauen, Mädchen oder weiblich gelesenen Personen aufgrund ihres Geschlechts. Man spricht von einem Femizid, wenn eine Frau zum Beispiel von ihrem (Ex-)Partner oder von männlichen Familienmitgliedern getötet wird. Auch zielgerichtete tödliche Hass-Verbrechen gegen cis / trans Frauen und Mädchen fallen unter diesen Begriff. Von der Polizei, dem Bund und in offiziellen Statistiken wird der Begriff Femizid aktuell nicht spezifisch verwendet.

Wie kann man Femizide und Beziehungsdelikte differenzieren? Der Begriff «Beziehungsdelikt» ist insofern problematisch, als er suggerieren kann, dass beide Personen mitschuldig sind an der Gewalt an einer Frau. Das Wort «Beziehungsdelikt» verharmlost so das strukturelle Problem der Gewalttaten an Frauen. Mit dem Begriff «Femizid» wird versucht, diese Problematik genau zu benennen und sichtbar zu machen.

Gemäss einem Bericht des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) wird Gewalt in bestehenden oder ehemaligen Partnerschaften grossmehrheitlich in heterosexuellen Paarbeziehungen registriert. In weniger als 1 % aller Straftaten bei Partnerschaftsgewalt haben Täter/Täterin und Opfer das gleiche Geschlecht (homosexuelle Partnerschaft).

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Aus dem Archiv: Femizide sind in der Schweiz keine Einzelfälle
Aus Tagesschau vom 17.10.2021.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 8 Sekunden.

In welchem Verhältnis zu sonstigen Morden stehen Femizide? Drei von vier Frauen, die in der Schweiz in den vergangenen zehn Jahren umgebracht wurden, starben durch häusliche Gewalt. Sie wurden beispielsweise durch ihren Partner, Ex-Partner, Cousin, Vater oder Bruder umgebracht. 25 Prozent der getöteten Frauen starben im ausserhäuslichen Bereich, wie aus den Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervorgeht.

Tötungsdelikte im häuslichen Bereich machen rund einen Drittel aller Tötungsdelikte in der Schweiz aus (BFS). Durchschnittlich stirb in der Schweiz all zwei Wochen eine Frau durch einen Femizid im häuslichen Bereich. Zusätzlich kommt es jede Woche durchschnittlich mindestens zu einem versuchten Femizid.

Gibt es seit der Corona-Pandemie mehr Femizide? Dazu fehlen offizielle Statistiken. Gemäss dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) wurden in den zehn Jahren zwischen 2009 und 2018 insgesamt 186 Frauen und Mädchen Opfer häuslicher Gewalt. Pro Jahr sind das 18 bis 19 Femizide.

2020 kam es gemäss Stop Femizid zu mindestens 15 Femiziden in der Schweiz. Dieses Jahr sind es bis zum 28. Oktober bereits 23 solche Frauenmorde. Inwiefern Corona eine Rolle spielt, kann aber nicht gesagt werden, weil offizielle Statistiken fehlen beziehungsweise Tatmotive, -hintergründe und -umstände sowie Details zu den Beziehungshintergründen zwischen Täter und Opfer nicht erfasst werden. Eine Zusatzerhebung des Bundes soll dazu nächstes Jahr ersten Antworten liefern.

Istanbul-Konvention

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In der Schweiz ist seit 2018 ein Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Kraft. Aktuell führt das Bundesamt für Statistik im Rahmen der Istanbul-Konvention mit Unterstützung des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann eine auf fünf Jahre (2019 bis 2024) angelegte Zusatzerhebung bei sämtlichen Tötungsdelikten durch.

Ziel dieser Zusatzerhebung: detailliertere Informationen zu den Lebensumständen von Opfern und Tätern sowie zu den näheren Tatumständen, Motiven und Ursachen von Tötungsdelikten zu erhalten.

Die Ergebnisse der Zusatzerhebung werden voraussichtlich 2025 publiziert. Gemäss dem EBG sollen bereits Anfang 2022 erste Daten vorliegen, woraus sich dann wahrscheinlich auch Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie ableiten lassen.

Wie viele Androzide (Tötung einer Person des männlichen Geschlechts) gibt es? Wie Femizide werden auch Androzide in offiziellen Statistiken nicht als solche ausgewiesen. Gemäss dem BFS werden Männer mehrheitlich von anderen Männern umgebracht – vor allem im ausserhäuslichen Bereich. Aber auch dort fehlen statistische Informationen zu den Tathintergründen. Es wird beispielsweise nicht erfasst, inwieweit schwule und queere Männer (aufgrund ihrer sexuellen Orientierung) oder trans Männer (aufgrund ihrer Geschlechtsidentität) im öffentlichen Raum mehr von Gewalt betroffen sind als heterosexuelle cis Männer.

Von Gewalt betroffen? Hier finden Sie Unterstützung!

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Hilfe für gewaltbetroffene Personen:

Polizei, Tel. 117 (Notruf)

Frauenhäuser für Frauen, auch mit Kindern

Mädchenhaus für Mädchen und junge Frauen

Schlupfhuus für alle Jugendlichen

Zwüschehalt Schutzhäuser für Männer

Opferhilfe Schweiz Beratungsstellen nach Kanton

Alter ohne Gewalt für ältere Menschen und Angehörige

Dargebotene Hand Sorgen-Telefon, Tel. 143

Beratung + Hilfe 147 für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

LGBT-Helpline für queere Menschen

Online-Opferberatung

Hilfe für gewaltausübende Personen:

Gewaltberatung Fachstellen nach Kanton

Schweiz Aktuell, 21.10.2021, 19:00 Uhr;

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