Sonja Spross ist Bäuerin. Ihr Mann übernahm von seinem Vater den Bauernhof. Sie arbeitete dort, Lohn hatte sie keinen – sie arbeitete ohne Vertrag, wie das auch heute noch viele Frauen auf Bauernhöfen an der Seite ihres Mannes tun.
Eine finanzielle Absicherung oder berufliche Vorsorge? Kein Thema für sie damals: «Wenn man jung ist, macht man sich keine Gedanken – oder man weiss es halt auch einfach nicht besser, ist nicht genug sensibilisiert.»
Plötzlich führt sie den Hof alleine
Sie habe nie damit gerechnet, dass sie oder ihr Mann krank werden könnten. Doch genau so ist es gekommen: Heute leitet sie die Geschicke des Hofs alleine, ihr Mann ist schwer krank und auf einen Rollstuhl angewiesen.
Man rechnet ja nie damit, dass eine Krankheit ausgerechnet einen selbst betrifft.
Zwölf Hektaren mit Mais, Getreide, Gras und einer Pferde-Pension, zwei Kinder, einen pflegebedürftigen Mann und einen Zweitjob ausserhalb des Betriebs – das ist heute Sonja Spross’ Alltag. Durch die Krankheit ihres Mannes wurde ihr noch viel stärker bewusst, wie wichtig soziale Absicherung ist. Als Leiterin des Betriebs hat sie allerdings heute Lohn: «Wir können leben, wir können alles bezahlen, aber auf Rosen gebettet sind wir sicher nicht.»
Vielen anderen Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben geht es ähnlich, sie kommen gerade so durch. Teilweise beziehen sie keinen Lohn, haben keine Sozialversicherung. Für diese Frauen müsse man etwas tun, finden mehrere Politikerinnen des Berner Kantonsparlaments. Und mit ihrer Meinung sind sie nicht alleine.
Die politische Debatte
«Bäuerinnen arbeiten mit. Sie gestalten den Betrieb, tragen Verantwortung und bringen neue Ideen ein. Der Sozialversicherungsschutz für diese Frauen ist aber katastrophal, beziehungsweise inexistent», begründete Regina Furrer (Grüne) ihre Unterstützung für den Vorstoss.
«Die Sorgen und Nöte sind im Kanton Bern die gleichen wie andernorts», sagte Annegret Hebeisen (SVP). Sie findet, es brauche Lösungen, aber nicht auf kantonaler Ebene. Der Bund müsse handeln.
Bis der Bund aber eine Lösung ausgearbeitet habe, dauere es zu lange, fanden Vertreterinnen von Mitte bis links. Stellvertretend sagt Christine Bühler (Mitte): «Der Kanton Bern – als grösster Agrarkanton – sollte handeln, damit es in dieser Sache vorwärtsgeht.»
Laut einem Bericht des Bundesrats von 2016 erhielten rund 70 Prozent aller Frauen in Landwirtschaftsbetrieben keinen Lohn. Und haben somit auch keine soziale Absicherung.
Und jetzt?
Schliesslich überwies der Rat mit grosser Mehrheit (134 zu 5 Stimmen) das Postulat an die Berner Regierung. Diese muss nicht zwingend handeln und die Situation verbessern, denn das Instrument des Postulats ist nicht ein verpflichtendes Instrument. Aber die Regierung muss Verbesserungsmöglichkeiten mindestens prüfen. Ob sich etwas ändert, ist also unklar.
Der zuständige Regierungsrat Christoph Ammann beteuerte aber im Grossen Rat, man werde versuchen, die Frauen auf den Landwirtschaftsbetrieben besser über ihre Situation aufzuklären und besser zu informieren.
Sonja Spross, die Bäuerin, hofft, dass die heutigen jungen Bauernfamilien bewusster handeln als sie damals: «Ich glaube, man muss die jungen Frauen sensibilisieren. Und das muss ein Thema sein bei der Hofübernahme.» Es müsse geregelt werden, was der Frau gehört, wie hoch ihr Lohn sei. Es dürfe nicht mehr sein, dass Frauen nach einem Unfall oder einer Trennung einfach mit leeren Händen dastünden.