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Bäuerinnen ohne Finanzpolster: Das Berner Kantonsparlament debattiert darüber, was zu tun ist
Aus Regionaljournal Bern Freiburg Wallis vom 13.09.2022. Bild: Keystone/PETER KLAUNZER
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Frauen auf dem Bauernhof Unbezahlte Bäuerinnen: Agrarkanton Bern will vorwärts machen

Viele Frauen arbeiten auf Bauernhöfen ohne Vertrag an der Seite ihres Mannes. Das Berner Kantonsparlament will das ändern.

Sonja Spross ist Bäuerin. Ihr Mann übernahm von seinem Vater den Bauernhof. Sie arbeitete dort, Lohn hatte sie keinen – sie arbeitete ohne Vertrag, wie das auch heute noch viele Frauen auf Bauernhöfen an der Seite ihres Mannes tun.

Eine finanzielle Absicherung oder berufliche Vorsorge? Kein Thema für sie damals: «Wenn man jung ist, macht man sich keine Gedanken – oder man weiss es halt auch einfach nicht besser, ist nicht genug sensibilisiert.»

Plötzlich führt sie den Hof alleine

Sie habe nie damit gerechnet, dass sie oder ihr Mann krank werden könnten. Doch genau so ist es gekommen: Heute leitet sie die Geschicke des Hofs alleine, ihr Mann ist schwer krank und auf einen Rollstuhl angewiesen.

Man rechnet ja nie damit, dass eine Krankheit ausgerechnet einen selbst betrifft.
Autor: Sonja Spross Bäuerin

Zwölf Hektaren mit Mais, Getreide, Gras und einer Pferde-Pension, zwei Kinder, einen pflegebedürftigen Mann und einen Zweitjob ausserhalb des Betriebs – das ist heute Sonja Spross’ Alltag. Durch die Krankheit ihres Mannes wurde ihr noch viel stärker bewusst, wie wichtig soziale Absicherung ist. Als Leiterin des Betriebs hat sie allerdings heute Lohn: «Wir können leben, wir können alles bezahlen, aber auf Rosen gebettet sind wir sicher nicht.»

Vielen anderen Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben geht es ähnlich, sie kommen gerade so durch. Teilweise beziehen sie keinen Lohn, haben keine Sozialversicherung. Für diese Frauen müsse man etwas tun, finden mehrere Politikerinnen des Berner Kantonsparlaments. Und mit ihrer Meinung sind sie nicht alleine.

Die politische Debatte

«Bäuerinnen arbeiten mit. Sie gestalten den Betrieb, tragen Verantwortung und bringen neue Ideen ein. Der Sozialversicherungsschutz für diese Frauen ist aber katastrophal, beziehungsweise inexistent», begründete Regina Furrer (Grüne) ihre Unterstützung für den Vorstoss.

«Die Sorgen und Nöte sind im Kanton Bern die gleichen wie andernorts», sagte Annegret Hebeisen (SVP). Sie findet, es brauche Lösungen, aber nicht auf kantonaler Ebene. Der Bund müsse handeln.

Der Bund führt aktuell eine Studie durch

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Das Bundesamt für Landwirtschaft BLW schreibt auf seiner Internetseite, dass von den im Jahre 2019 insgesamt 150'100 beschäftigten Personen in der Landwirtschaft, gut 54‘000 Frauen (36 Prozent) waren, davon knapp 3300 Betriebsleiterinnen.

Die meisten Frauen in der Landwirtschaft sind verheiratet, in der Regel wird der Betrieb vom Ehemann geführt und ist auch in seinem Eigentum.

Fokus der Studie

Zum dritten Mal gibt das BLW Anfang 2022 eine Studie in Auftrag, welche die Situation der Frauen in der Landwirtschaft untersuchen soll.

Anhand von 50 Fragen wird unter anderem erhoben, welche Rolle die Frauen in der Landwirtschaft ausüben, was ihre Aufgaben sind und wie ihre rechtliche Stellung aussieht. Weiter soll die Befragung zeigen, ob und in welcher Form soziale und finanzielle Vereinbarungen auf dem Betrieb bestehen.

Auf Anfrage beim BLW heisst es: «Der Trend, der sich aus dieser Studie abzeichnet, zeigt, dass sich das Bild der Frau in der Landwirtschaft wandelt. Immer mehr Frauen übernehmen Verantwortung in den Betrieben. Sie werden zunehmend offiziell für diese Verantwortung anerkannt.»

Die detaillierten Ergebnisse dieser Studie werden Anfang November publiziert.

Bis der Bund aber eine Lösung ausgearbeitet habe, dauere es zu lange, fanden Vertreterinnen von Mitte bis links. Stellvertretend sagt Christine Bühler (Mitte): «Der Kanton Bern – als grösster Agrarkanton – sollte handeln, damit es in dieser Sache vorwärtsgeht.»

Laut einem Bericht des Bundesrats von 2016 erhielten rund 70 Prozent aller Frauen in Landwirtschaftsbetrieben keinen Lohn. Und haben somit auch keine soziale Absicherung.

Und jetzt?

Schliesslich überwies der Rat mit grosser Mehrheit (134 zu 5 Stimmen) das Postulat an die Berner Regierung. Diese muss nicht zwingend handeln und die Situation verbessern, denn das Instrument des Postulats ist nicht ein verpflichtendes Instrument. Aber die Regierung muss Verbesserungsmöglichkeiten mindestens prüfen. Ob sich etwas ändert, ist also unklar.

Der zuständige Regierungsrat Christoph Ammann beteuerte aber im Grossen Rat, man werde versuchen, die Frauen auf den Landwirtschaftsbetrieben besser über ihre Situation aufzuklären und besser zu informieren.

Eine Frau am Heuen.
Legende: Laut einem Bericht des Bundesrats von 2016 erhielten rund 70 Prozent aller Frauen in Landwirtschaftsbetrieben keinen Lohn. Keystone/Eddy Risch

Sonja Spross, die Bäuerin, hofft, dass die heutigen jungen Bauernfamilien bewusster handeln als sie damals: «Ich glaube, man muss die jungen Frauen sensibilisieren. Und das muss ein Thema sein bei der Hofübernahme.» Es müsse geregelt werden, was der Frau gehört, wie hoch ihr Lohn sei. Es dürfe nicht mehr sein, dass Frauen nach einem Unfall oder einer Trennung einfach mit leeren Händen dastünden.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 13.09.2022, 12:03 Uhr;

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