Das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich hat sechs Jahre lang die Schweizer Medien untersucht und festgestellt: Auf eine Erwähnung einer Frau kommen rund drei Erwähnungen von Männern. Diese Ungleichheit besteht in allen Schweizer Sprachregionen und über sämtliche Medientypen hinweg, mit geringfügigen Unterschieden.
«Frauen in den Medien», mit diesem Thema befasste sich am Montag auch ein Podium in Luzern, im Rahmen von 50 Jahre Frauenstimmrecht Luzern. Mit dabei Sophie Mützel, Professorin für Soziologie an der Universität Luzern.
SRF News: Ich als Journalistin und Sie als Expertin führen jetzt ein Gespräch miteinander – sind wir in der Schweizer Medienlandschaft gerade die grosse Ausnahme?
Sophie Mützel: Wahrscheinlich schon. Die Zahlen zeigen, dass Frauen deutlich unterrepräsentiert sind, sowohl bei den Medienschaffenden als auch bei denen, die repräsentiert werden in den Medien.
Politik und Wirtschaft stechen hier heraus. Hier gibt es besonders wenige Frauen.
Genau. Wir sehen ganz klare Unterschiede in den Themen, in denen Frauen genannt oder als Expertinnen zugezogen werden. Dem Klischee entsprechend werden Frauen in den Bereichen Sport, Wirtschaft und Politik am wenigsten genannt. Bei den weicheren Themen, wie Kultur oder «Human interest», kommen Frauen eher zu Wort. Interessant ist auch, dass in der Darstellung der Frauen in den Medien viel mehr Privates geschildert wird. Wir wissen sehr wenig über das Privatleben von männlichen CEOs. Wenn aber eine Frau an die Spitze eines Unternehmens kommt, wissen wir über ihre private und familiäre Situation Bescheid.
Wie stark ist die Medienlandschaft ein Abbild der Gesellschaft? In Parlamenten gibt es teilweise schlichtweg weniger Politikerinnen, die ich befragen kann.
Wenn ich nur männliche Politiker habe, die mir zu bestimmten Themen Auskunft geben können, dann muss ich natürlich ein Interview mit ihnen machen. Aber ich würde stark dafür plädieren, dass man trotzdem nochmals gezielt nach einer Expertin sucht, welche zur gleichen Themenlage etwas zu sagen hat. Das heisst auf Seite der Journalistinnen und Journalisten, dass man dann halt drei E-Mails mehr schreiben und nochmals darüber nachdenken muss, welche Expertin man einladen könnte.
Da sind also die äusseren Umstände, weshalb Frauen mehr oder weniger in den Medien vorkommen. Welche Rolle spielt dabei, dass sich Frauen in der Öffentlichkeit auch ausgestellt fühlen?
Wir sehen seit dem Aufkommen von sozialen Netzwerkplattformen, dass gerade Frauen in Kommentaren und Beiträgen auf Social Media aggressiver angegriffen werden. 75 Prozent aller Journalistinnen weltweit haben schon mal verbale Aggressionen erlebt. In der Schweiz sind es etwas weniger.
75 Prozent aller Journalistinnen weltweit haben schon mal verbale Aggressionen erlebt.
Das heisst, dass Frauen sich sehr gut damit auseinandersetzen müssen, verbal attackiert und belästigt zu werden.
Expertinnen sind schwieriger zu finden. Was muss sich ändern, damit mehr Frauen zu Wort kommen?
Das ist zwar eine grobe Verallgemeinerung, aber: Männer sind eher bereit, zu Themen, die ausserhalb ihres unmittelbaren Expertisenfelds liegen, Auskunft zu geben. Frauen sind da eher zögerlich. Der Wandel müsste hier auch von den Frauen selber ausgehen. Ich glaube nämlich, dass wir Frauen sehr gut ausgebildet und sehr bereit sind. Aber dann ist es auch wichtig, dass wir nicht nur als Frau angefragt werden, sondern auf der Grundlage unserer Expertise.
Das Gespräch führte Lea Schüpbach