- Der querschnittgelähmte Gert-Jan Oskam kann dank eines Implantats aus Lausanne wieder gehen.
- Die Bewegungen kann er dabei mit seinen Gedanken steuern.
- Den Nachweis publizierte das Forschungsteam im renommierten Fachblatt «Nature».
Die Forschenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und des Universitätsspitals Lausanne (CHUV) implantierten dem heute 40-jährigen Probanden dafür zwei verschiedene Systeme. Einerseits zwei Implantate in die Schädeldecke, andererseits Elektroden ins Rückenmark.
Seit einem Velounfall vor zwölf Jahren sind die Beine des Niederländers Gert-Jan Oskam gelähmt. Dank der Implantate kann er mithilfe eines Rollators oder Krücken nun wieder eingeschränkt, aber eigenständig stehen, gehen und sogar Treppen steigen. «Es ist ein schönes Gefühl, wieder stehen zu können», sagte Oskam an einer Vorstellung der neuen Studie. «Weil es meinem Körper guttut und vor allem Rückenschmerzen vorbeugt.»
Ich kann etwa 200 Meter gehen, dann ermüde ich. Stehen kann ich zwei bis drei Minuten, ohne die Hände zu brauchen.
Oskam: «Letzte Woche musste etwas im Haus gestrichen werden, und es war niemand da, der mir helfen konnte. Also habe ich die Gehhilfe genommen und es selbst gemacht. Stehend.» Er könne etwa 200 Meter gehen, dann ermüde er. Stehen könne er zwei bis drei Minuten, ohne die Hände zu brauchen.
Oskam erklärte, dass er wieder Freude daran hat, mit Freunden am Tresen einer Bar ein Bier zu trinken: «Diese einfache Freude ist eine grosse Veränderung in meinem Leben.»
Steuerung über Gedanken
Die Implantate im Rückenmark und am Gehirn kommunizieren dabei laut den Studienautoren über eine Art «digitale Brücke» miteinander. Eine Rückenmarksverletzung kann die Kommunikation zwischen dem Gehirn und dem Bereich des Rückenmarks, der das Gehen steuert, unterbrechen, was zu Lähmungen führt. Das sogenannte Brain-Spine Interface (BSI) stellt diese Kommunikation wieder her.
Die Schädelimplantate messen mit 64 Elektroden die Aktivität des Gehirns. Auf Grundlage dieser Daten errechnet eine künstliche Intelligenz die gewollte Bewegung und übersetzt sie in Stimulierungsbefehle, die dann kabellos an das Elektrodenarray mit 16 Elektroden im Rückenmark weitergegeben werden. Da stimulieren die Elektroden sogenannte Motor-Neuronen und aktivieren so gezielt die Muskeln.
Das Gerät im Rückenmark hat das Lausanner Team bereits vor rund fünf Jahren entwickelt und an mehreren Patientinnen und Patienten getestet. Bisher musste der Befehl zum Gehen aber über ein Tablet eingegeben werden. Das Steuern mit Gedanken macht die Bewegungen laut den Studienautorinnen und Autoren aber flüssiger und natürlicher.
«Eine neue Ära»
«Das Konzept einer digitalen Brücke zwischen Gehirn und Rückenmark läutet eine neue Ära in der Behandlung von motorischen Defiziten aufgrund neurologischer Störungen ein», schrieben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Studie. Eine vergleichbare Strategie könnte künftig auch zur Wiederherstellung von Arm- und Handfunktionen eingesetzt werden.
Das Konzept einer digitalen Brücke zwischen Gehirn und Rückenmark läutet eine neue Ära in der Behandlung von motorischen Defiziten aufgrund neurologischer Störungen ein.
Die Forscherinnen und Forscher aus Lausanne wollen das BSI nun möglichst schnell weltweit verfügbar machen. Vom European Innovation Council (EIC) haben sie laut einer Mitteilung des CHUV Unterstützung erhalten, um eine kommerzielle Version der digitalen Brücke zu entwickeln.