An diesem Morgen versammeln sich rund zehn Personen am Heinzenberg in Graubünden. Ihr Ziel: Auerhuhn-Kot finden. Wildhüter, Mitarbeitende des Amts für Wald und Freiwillige durchkämmen das Gelände, um Hinweise auf einen der scheuesten Vögel der Schweiz zu sichern.
Sie sind aus einem besonderen Grund unterwegs: In Graubünden lebt rund die Hälfte der Schweizer Auerhuhnpopulation – und weil der Vogel vom Aussterben bedroht ist, ist die Kontrolle des Bestands besonders wichtig.
Denn inzwischen gilt das Auerhuhn in der Schweiz als stark gefährdet. In den letzten 50 Jahren ist es aus grossen Teilen des Landes verschwunden – etwa aus dem zentralen Jura, dem westlichen Alpennordrand und den inneralpinen Tälern der Zentralschweiz.
Laut der Schweizerischen Vogelwarte liegt der aktuelle Bestand bei lediglich 380 bis 480 balzenden Männchen.
Graubünden beherbergt mittlerweile rund die Hälfte der gesamten Schweizer Population. «Wir haben eine grosse Verantwortung für das Auerhuhn», betont Sergio Wellenzohn, Akademischer Mitarbeiter beim Amt für Wald, beim Einsatz am Heinzenberg. Dazu gehöre die Besucherlenkung mit Wildruhezonen ebenso wie forstliche Eingriffe – denn Auerhühner hätten besondere Anforderungen an ihren Lebensraum.
Um zu überprüfen, ob diese Massnahmen auch greifen, ziehen Wildhüterinnen und Wildhüter mit Freiwilligen sieben- bis neunmal pro Jahr in die Wälder – wie hier am Heinzenberg. Sie suchen nach Spuren des Auerhuhns: Losung (Jägersprache für Kot), Federn und Frassspuren.
An diesem verregneten Frühlingstag wird Sergio Wellenzohn schnell fündig: «Das ist eindeutig eine frische Losung», stellt er fest. Das sehe man am weissen «Käppeli» auf dem Kot. «Und da sie sehr dick ist, stammt sie wohl von einem Männchen.»
Die Spurenanalyse ersetzt direkte Beobachtungen, denn Auerhühner sind extrem scheu. Besonders während der Balzzeit sollten sie nicht gestört werden.
Die beste Chance, sie zu sehen, besteht auf den traditionellen Balzplätzen – doch gerade dort ist menschliche Präsenz besonders problematisch. Werden Auerhühner wiederholt gestört – etwa durch Wanderer, Pilzsucher, Jäger oder Skitourengänger – verlassen sie ihren Lebensraum dauerhaft. Das sei auch ein Grund dafür, warum das Auerhuhn in der Schweiz selten geworden ist, erklärt Wellenzohn.
Kontrolle mit Blick in die Gene
Vögel nur anhand ihrer Spuren zu zählen, ist allerdings nicht einfach. Die genaue Anzahl in einem Gebiet lässt sich so nicht bestimmen. «Es klingt am Anfang nicht nach viel», sagt Wellenzohn. «Aber über die Jahre sehen wir: Wird ein Gebiet noch genutzt oder aufgegeben?»
Mit Hilfe von DNA-Proben aus dem gesammelten Kot soll eine neue Studie die genetische Vielfalt der Auerhuhn-Population in Graubünden untersuchen. «Wir wollen wissen, ob es ein Inzuchtproblem gibt – und auch Rückschlüsse auf die Grösse der Population ziehen», erklärt Sergio Wellenzohn. Bisherige Daten deuten auf eine stabile Verbreitung hin, aber genaue Zahlen fehlen.
Zumindest für den Wald am Heinzenberg fällt die Bilanz dieses Frühjahrs positiv aus: Frische Losung, Federn und andere Spuren zeigen, dass sich hier noch Auerhähne verstecken – und tief im Wald ihre Balzstrophen singen.