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Geheimdienstaffäre Cryptoleaks «Auch östliche Nachrichtendienste hatten hier Tarnfirmen»

Amerikanische Geheimdienste und der deutsche BND manipulierten Chiffrier-Geräte der Zuger Crypto AG und spionierten so über Jahrzehnte hunderte von Staaten aus. Welche historische Dimension hat dieser Fall und was bedeutet er für das Bild der neutralen Schweiz? Der Historiker Adrian Hänni ordnet ein.

Adrian Hänni

Historiker

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Adrian Hänni ist Historiker und Lehrbeauftragter an der Universität Zürich. Er forscht schwerpunktmässig zur Geheimdienstgeschichte.

SRF News: Was macht den Fall der Crypto AG speziell?

Adrian Hänni: Dieser Fall ist in vielen Dimensionen sehr aussergewöhnlich. Schon nur die Länge der Operation, fast sieben Jahrzehnte, ist für eine nachrichtendienstliche Operation sehr speziell. Auch die Reichweite ist bemerkenswert: Offenbar hatte die amerikanische NSA zwischenzeitlich fast 40 Prozent ihrer Informationen, die sie aus abgefangenen Kommunikationssignalen gewann, der Crypto AG zu verdanken.

Ist die Crypto AG ein historischer Einzelfall?

Nein. Es ist davon auszugehen, dass anglo-amerikanische Nachrichtendienste mit mehreren Schweizer Firmen ähnliche Arrangements zur Spionage und teilweise auch zu Sabotagezwecken unterhielten, vor allem im späten Kalten Krieg. Aber auch die östlichen Nachrichtendienste hatten in der Schweiz ein Netzwerk von Tarnfirmen.

Die Schweiz als Drehscheibe für Spione, ausländische Geheimdienste und Tarnfirmen. Ritzt das nicht am Bild der neutralen Schweiz?

Da muss man mit einem grossen Mythos aufräumen. Die Schweiz war im Kalten Krieg mit ihrer Neutralitätspolitik nicht Mitglied eines Militärbündnisses.

Nachrichtendienstlich gehörte die Schweiz seit dem frühen Kalten Krieg zum Westen.

Allerdings bezog sich diese Politik nie auf die Welt der Geheimdienste. Nachrichtendienstlich gehörte die Schweiz seit dem frühen Kalten Krieg zum Westen.

Die Geheimdienste waren nicht neutral, doch die Politik wurde als neutral verkauft. Die Politik hat aber die Pflicht, die Geheimdienste zu beaufsichtigen. Ist die Trennung dieser beiden Ebenen nicht problematisch?

Man muss hier zwischen der institutionellen und der informellen Politik unterscheiden. In der historischen Forschung gehen wir unterdessen davon aus, dass die Schweiz sowohl ideologisch, ökonomisch und auch nachrichtendienstlich fest ins westliche Bündnis eingebunden war. Als liberaler und demokratischer Rechtsstaat fühlte sich die Schweiz im Kalten Krieg den Nato-Staaten und nicht den sozialistischen Diktaturen hinter dem Eisernen Vorhang verwandt.

Wie gross war die Abhängigkeit der Schweiz von grossen ausländischen Geheimdiensten?

Natürlich war die Schweiz mit einem verhältnismässig kleinen Nachrichtendienst darauf angewiesen, Informationen von Partnerdiensten zu erhalten. Diese Informationen bekommt man aber nicht aus reiner Solidarität – auch wenn eine ideologische Verwandtschaft besteht. Es ist ein Geben und Nehmen. Entsprechend hat die Schweiz auch Gegenleistungen erbracht. Sie leistete teilweise logistische Hilfe – indem sie etwa Partnerdiensten auf falsche Namen ausgestellte Schweizer Pässe zur Verfügung stellte – oder reichte Agenten an ausländische Dienste weiter. Vor allem aber wurden mit westeuropäischen und nordamerikanischen Diensten Informationen ausgetauscht.

Das Gespräch führte Susanne Wille.

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