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Geldsorgen in der Schweiz Arm trotz Arbeit: Wenn das Geld nicht zum Leben reicht

Prämien, Mieten, Energie: Die Lebenskosten steigen stark. Immer mehr Menschen haben Mühe, ihre Rechnungen zu bezahlen.

1.25 Millionen Menschen in der Schweiz leben an der Armutsgrenze. Diese liegt hierzulande bei einer vierköpfigen Familie bei knapp 4000 Franken Netto. Ihnen droht jetzt die finanzielle Notlage, denn die Lebenskosten steigen.

Im «Club» diskutieren mit Barbara Lüthi

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  • Philipp Frei, Geschäftsführer Dachverband Budgetberatung Schweiz
  • Tobias Straumann, Wirtschaftshistoriker
  • Jacqueline Badran, Nationalrätin SP/ZH
  • Andri Silberschmidt, Nationalrat FDP/ZH
  • Kristina Schüpbach, Arbeitsmarktökonomin ETH Zürich

Wer sich bisher über Wasser habe halten können, drohe jetzt zu sinken, sagt Philipp Frei vom Dachverband Budgetberatung im «Club». «Ein Bauarbeiter sass weinend bei mir in der Beratung, weil er seinem Kind kein Weihnachtsgeschenk kaufen konnte.»

Armut kommt oft unerwartet

Im «Club» erzählen Armutsbetroffene, wie sie unerwartet in die Armut rutschten, trotz Ausbildung und Anstellung. Da ist der Familienvater und Metzger: Nachdem er einen Herzinfarkt erlitten hatte, folgte auch noch die Scheidung. «Ich konnte keine Schichtarbeit mehr leisten. Erst ging mein Lohn zurück, dann mein Vermögen. Am Schluss hatte ich nichts mehr.»

Oder die alleinerziehende Mutter mit einem beeinträchtigten Kind: «Die Pflege ist aufwendig, eine Vollzeitstelle liegt nicht drin.»

Und trotzdem: Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann sieht die Lage nicht ganz so schlimm: «8.7 Prozent der Schweizer Bevölkerung leben in Armut. Die meisten finden aber nach vier Jahren wieder raus», dies zeige eine Studie des Bundesamts für Statistik.

Weniger frei verfügbares Einkommen

Die Schlagzeilen zu den steigenden Lebenskosten sind nicht neu: Bereits im letzten Jahr warnte man vor höheren Preisen. Beunruhigend ist die Entwicklung des Einkommens, das nach Abzug der Fixkosten wie Miete, Steuern und Prämien sowie weiteren lebensnotwendigen Ausgaben wie Essen übrig bleibt.

Fixkosten steigen aktuell besonders

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Eine Frau hält bei der Essensvergabe einen Einkaufssack hin.
Legende: Bedürftige Menschen erhalten in Zürich Lebensmittel beim Programm «Essen für alle». Keystone/Gaetan Bally
  • Die Mietzinsen steigen aufgrund der Erhöhung des Referenzzinssatzes von 1.5 auf 1.75 Prozent.
  • Versicherte zahlen im Schnitt neu rund 360 Franken im Monat für die Krankenkasse – 8.7 Prozent mehr als im Vorjahr.
  • Beim Strom bezahlen Verbrauchende neu 18 Prozent mehr – Mehrkosten von circa 222 Franken in einem Vierpersonenhaushalt.
  • Das Volk hat die Reform AHV 21 angenommen. Deshalb steigt auch die Mehrwertsteuer um 0.4 Prozentpunkte auf 8.1 Prozent.
  • Weiter verlangt die SBB 3.7 Prozent mehr für ihre Tickets.
  • Nicht zuletzt wird der Briefversand teurer: Für einen A-Post Brief zahlt man in der Schweiz neu 10 Rappen mehr – somit 1.20 Franken.

Eine Auswertung der Budgetberatung Schweiz zeigt: In den letzten 40 Jahren ist das frei verfügbare Einkommen stark geschrumpft. Eine Familie mit zwei Kindern und 4500 Franken Nettolohn hatte 1980 noch 940 Franken zur freien Verfügung. 2020 wäre die gleiche Familie 250 Franken im Minus.

«Es ist ein Ohnmachtsgefühl. Egal, was man macht, man hat immer weniger Geld auf dem Konto», sagt Philipp Frei, Geschäftsführer des Dachverbands. Aus seiner Budgetanalyse wird klar: Immer mehr Menschen aus dem Mittelstand suchen finanzielle Beratung. Viele wollen dabei anonym bleiben, denn Armut ist in der Schweiz mit Scham behaftet.

Sozialwerke helfen – aber begrenzt

Abhilfe bei finanziellen Engpässen können die Schweizer Sozialwerke leisten. Ein gutes System mit Reformbedarf, findet Andri Silberschmidt. Probleme sieht er besonders bei der beruflichen Vorsorge. «Das Loch in der zweiten Säule ist gerade bei Frauen gross, weil sie häufiger Teilzeit oder gar nicht arbeiten», sagt der FDP-Nationalrat.

Vorlagen zur Altersvorsorge

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Zwei Abstimmungen zur Altersvorsorge kommen 2024 vors Volk.

Im März stimmt die Schweiz über die 13. AHV-Rente ab. In der Vorlage fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) jährlich eine zusätzliche Monatsrente für Rentenbeziehende.

Im März 2023 hatte das Parlament die Reform der beruflichen Vorsorge verabschiedet. Dagegen wurde das Referendum ergriffen, weshalb es ebenfalls zur Abstimmung kommt. Die Gegnerschaft besteht aus dem SGB, Travailsuisse, den Gewerkschaften Unia und VPOD sowie der SP Schweiz.

In den letzten 30 Jahren hätten der Staat und die Kantone bei der Armutsbekämpfung enorme Fortschritte gemacht, sagt Straumann. Das zeigt ein Rückblick auf die Geschichte der Sozialwerke.

Für SP-Nationalrätin Jacqueline Badran sind die Sozialwerke der Schweiz ein emotionales Thema: «Bei dieser Gelegenheit danke ich meinen Vorfahren bei der SP und den Gewerkschaften, die das alles erstritten haben.» Heute würde die Schweiz das nicht mehr hinkriegen, ist sie überzeugt. Andri Silberschmidt stimmt ihr in diesem Punkt zu: «Wir müssen das auch jederzeit verteidigen.»

Hinweis

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Der DOK «Arm in der reichen Schweiz» von Roger Brunner und Sascha Britsko läuft am 28. März auf SRF 1.

Was denken Sie? Diskutieren Sie jetzt mit in der neuen Wochendebatte des SRG-Angebots «dialog»!  

Club, 09.01.2024, 22:25 Uhr

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