Nach dem Frühstücksservice herrscht in der Abwaschküche des Zürcher Stadtspitals Triemli Hochbetrieb. Auf einem Fliessband rollt das dreckige Geschirr in die Abwaschmaschine. Ausräumen tut es eine Frau, die nicht ganz freiwillig hier ist. Sie verrichtet gemeinnützige Arbeit, weil sie Bussen nicht bezahlen kann.
«Es hiess zahlen oder hier abwaschen. Oder ins Gefängnis», sagt sie. Denn wer eine Busse nicht begleicht, muss eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe absitzen.
Die Frau aus Zürich will anonym bleiben. Gebüsst wurde sie wegen Übertretungen im Strassenverkehr und Tramfahrten ohne Ticket. Die Höhe der Bussen verrät sie nicht. Diese abarbeiten muss sie 480 Stunden lang – also während rund drei Monaten.
Für die Möglichkeit sei sie dankbar, sagt die Frau, die von Sozialhilfe lebt. «Die Arbeit ist anstrengend. Ich kann mir aber vorstellen, in Zukunft in einer Abwaschküche zu arbeiten.» Patientenkontakt hat sie im Triemli nicht.
Niederschwelliges Angebot bringt Vorteile für Betroffene und Kanton
Der Zürcher Justizvollzug hat die Frau auf die gemeinnützige Arbeit aufmerksam gemacht. Beantragen müssen die Verurteilten diese selbst. Das sei insbesondere für Personen am Rande der Gesellschaft nicht immer einfach, heisst es beim Kanton.
Es ist kostengünstiger als der Vollzug in einer Institution.
Neu betreibt der Kanton die bereits bestehende Bussenanlaufstelle selbst. Zuvor hat dies eine Stiftung im Auftrag des Kantons gemacht. Zudem soll das niederschwellige Angebot ausgebaut werden: «Das Ziel ist, dass die Betroffenen in die Beratung kommen und gleich am selben oder am nächsten Tag anfangen können», sagt Désirée Weber-Renz, die den Bussen-Infopoint leitet.
Es sei eine sinnhafte Tätigkeit und für Betroffene eine Chance, wieder Tritt zu fassen. Weber-Renz sieht nicht nur Vorteile für die Verurteilten, sondern auch für den Kanton: «Wir können Gefängnisse entlasten und es ist kostengünstiger als ein Vollzug in einer Institution.»
Ein Allheilmittel sei die gemeinnützige Arbeit aber nicht, es gebe immer wieder Personen, die trotzdem nicht aus dem tieferen Kreis der Delinquenz herausfänden.
Experte: Potenzial nicht ausgeschöpft
Als sinnvoll beurteilt die gemeinnützige Arbeit auch der Strafvollzugsexperte Benjamin Brägger. Er befasst sich seit 30 Jahren mit dieser Vollzugsform. «Es ist keine passive Strafe wie ein Gefängnisaufenthalt, sondern man muss etwas wiedergutmachen für die Gesellschaft.»
Das volle Potenzial der gemeinnützigen Arbeit wird seiner Einschätzung nach aber nicht ausgeschöpft. Er sieht vor allem zwei Einschränkungen:
Zu viele Personen würden wegen nicht bezahlter Bussen ins Gefängnis kommen. 53 Prozent aller Inhaftierungen im Jahr 2023 erfolgten laut Bundesamt für Statistik aus diesem Grund und belasten die Gefängnisse. Die gemeinnützige Arbeit könnte für Entlastung sorgen.
Das Problem: Sei die Ersatzfreiheitsstrafe einmal angeordnet, könne man gemeinnützige Arbeit nicht mehr beantragen. «Es wäre gut, diese Bestimmung aus dem Gesetz zu nehmen», sagt Brägger.
Zudem müssten die Kantone mehr Ressourcen zur Verfügung stellen. «Man muss die Leute vorladen, mit ihnen ein Gespräch führen.» Den Kanton Zürich nennt er als positives Beispiel. Die Menschen, die ihre Bussen nicht zahlen würden, hätten kein Geld, seien teils am Rande der Gesellschaft oder hätten Drogenprobleme. «Es braucht Begleitung, damit die gemeinnützige Arbeit funktioniert.»