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Gemüseposse im Grenzgebiet Basler «Spargel-Krise» erreicht Berlin und Bundesbern

An der deutsch-schweizerischen Grenze ist ein Streit um Kraut und Rüben entbrannt. Nun erreicht er neue Sphären.

Die Gemeinde Fischingen in Baden-Württemberg liegt nur sieben Kilometer vor der Stadt Basel. Seit über 85 Jahren baut dort die Gärtnerei Hoch-Reinhard Gemüse an. Tomaten, Stangenbohnen, Spargeln – alles, was das Herz begehrt. Seine Produkte liefert der Betrieb seit vielen Jahren auch in die Schweiz, an Restaurants oder direkt an Kundinnen und Kunden, in einer Gemüsekiste. Alles praktisch ohne behördliche Auflagen, fast so als kämen die Produkte von einem Schweizer Bauernhof.

Blick übers deutsch-schweizerische Grenzgebiet bei Basle.
Legende: Direktverkäufe von Betrieben unmittelbar hinter der Landesgrenze sind fast sechzig Jahren möglich. Ab dem kommenden Jahr sollen sie nun aber nicht mehr gestattet sein. Im Bild: Blick übers deutsch-schweizerische Grenzgebiet bei Basel. Keystone

Die Schweizer Zollverwaltung will ihre Praxis diesbezüglich ändern. Für Lukas Weidnauer von der Gärtnerei Hoch-Reinhard würde dies bedeuten, dass er sein Gemüse künftig wie normale Handelsware verzollen müsste. «Wir kalkulieren den erhöhten Zollansatz mit etwa 20 bis 25 Prozent. Dazu kommt der administrative Aufwand, den wir leisten müssen.»

Es sind nicht sonderlich viele Landwirtschaftsbetriebe von diesen Änderungen betroffen. Nur jene, die nicht weiter als zehn Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt liegen – und erleichtert einführen durfte man auch bisher nur Direktverkäufe, also Verkäufe an Gastronomiebetriebe oder Privatpersonen, nicht aber Lieferungen beispielsweise an den Detailhandel. Gleichwohl geht es um einiges: um rund 550 Tonnen Gemüse, die jährlich auf diese Weise alleine in den Kanton Basel-Stadt importiert werden. Abnehmer sind gut 45 Restaurants und 700 Haushalte.

Mehr als eine Gemüseposse

Ob sich unter den neuen Voraussetzungen ein Export in die Schweiz noch lohne, könne er noch nicht abschätzen, sagt Weidnauer. «Für uns ist es sehr schade, denn wir haben lange Kundenbeziehungen aufgebaut. Wir kriegen oft Rückmeldungen, dass die Qualität und Frische unserer Produkte sehr geschätzt werden. Und es ist ja unser Anliegen, dass wir so nah wie möglich verkaufen können.»

Eine kleine Gemüseposse aus dem Grenzgebiet, könnte man meinen. Aber zwei Politiker haben den Streit nun in höhere Sphären gehievt – und mittlerweile sogar den Bundesrat und auch die deutsche Bundesregierung eingeschaltet.

Es ist absolut sinnvoll Gemüse und Obst aus der Region beziehen zu können, das vor den Stadttoren produziert wird.
Autor: Beat Jans Basler SP-Regierungsrat

Vor allem in der Grenzregion Basel will man nicht kampflos auf das Gemüse aus Südbaden verzichten. Der Basler SP-Regierungsrat Beat Jans hat bereits zwei Briefe an den zuständigen Bundesrat Ueli Maurer geschrieben – und beruft sich dabei auf die lange Tradition der grenzübergreifenden Lebensmittelversorgung. Jans sagt, es sei absolut sinnvoll Gemüse und Obst aus der Region beziehen zu können, das vor den Stadttoren produziert werde. «Es gibt überhaupt keinen Grund, daran etwas zu ändern.»

Widerstand auch aus Deutschland

Auch auf der anderen Seite der Zollschranke regt sich Widerstand, und zwar in der Person des Bundestags-Abgeordneten Gerhard Zickenheiner von den Grünen. Er hat seinerseits einen Brief an die deutsche Bundesregierung geschrieben, in dem er um Stellungnahme bittet. «Die deutsche Seite sollte deutlich klar machen, dass das Interesse da ist, so weiter zu verfahren wie man es seit Jahrzehnten praktiziert. Ich glaube auch, dass in Bundesbern schlichtweg übersehen worden ist, was man damit anrichtet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man darauf beharren will.»

Frischer Spargel
Legende: Das letzte Wort ist in der Sache noch nicht gesprochen. Am 15. Juli treffen sich eine Delegation des Bundes und der Basler Verwaltung, um zu erörtern, ob es nicht doch einen für alle Parteien befriedigenden Ausweg aus dem deutsch-schweizerischen Gemüsestreit gibt. Keystone

Gemüseproduzent Weidnauer hofft nun, dass die Schweizer Zollverwaltung auf ihren Entscheid zurückkommt. Klar sei aber, dass er sein Gemüse so oder so verkaufen müsse: «Wenn nicht nach Basel, dann woandershin.»

Echo der Zeit, 12.07.2021, 18 Uhr

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