Als Reaktion auf die Terrorattentate in Europa hat auch Genf vor drei Jahren eine Hotline eingerichtet, welche bei einem Radikalisierungsverdacht aktiv wird. Die Bilanz decke sich mit den Erfahrungen ähnlicher Anlaufstellen in anderen Regionen, berichtet Westschweizkorrespondent Andreas Stüdli.
SRF News: 126 Fälle wurden in den letzten drei Jahren bearbeitet. Um welche Formen der Radikalisierung ging es?
Andreas Stüdli: 85 Prozent der Meldungen betrafen den radikalen Islam. Vier Prozent der Meldungen lagen im Bereich Rechtsextremismus und weitere drei Prozent im Bereich Linksextremismus.
Was für Personen haben sich gemeldet?
Bei der Hälfte der Meldungen standen Angehörige wie etwa die Eltern dahinter. Die andere Hälfte der Informationen nahm die Hotline von Schulen, Unternehmen, Quartiervereinen und anderen Institutionen entgegen.
Was wurde nach der Meldung unternommen?
Die 126 Fälle wurden in einer Fachgruppe aus Psychologen, Asylbehörden und anderen kantonalen Fachleuten überprüft. Zuerst online und nötigenfalls in einer persönlichen Konferenz. Jeder zehnte Fall wurde der Polizei gemeldet, und die Fachleute traten in den Hintergrund.
Jeder zehnte Fall ging an die Polizei, und auch der Nachrichtendienst wurde aktiv.
Dann wurde neben der Polizei auch der Nachrichtendienst des Bundes aktiv: Der Bund kann solche Personen auch zu einem sogenannten Gefährdungsgespräch einladen. Dort wird ihnen klargemacht, dass sie durch ihre Auffälligkeit auf dem Radar sind. Diese Gespräche können eine abschreckende Wirkung haben.
Sind die Resultate aus Genf vergleichbar mit der Prävention in anderen Regionen?
Solche Angebote wie in Genf gab es zuerst im Raum Bern und Zürich. Genf war die erste Beratungsstelle in der Westschweiz. Heute haben viele Regionen solche Präventionsstellen. Die Ähnlichkeit der Resultate ist frappierend. Zahlen des Bundes zeigen, dass in allen Regionen um die zehn Prozent der Meldungen an die Polizei weitergegeben werden mussten. Es gibt also bezüglich Radikalisierung keine grossen Unterschiede zwischen den Regionen.
Das Präventionsprogramm in Genf hat sich bewährt und wird weitergeführt. Es ist auch wichtig für Leute, die beispielsweise aus dem Dschihad zurückkehren. Von Genf weiss man, dass mindestens sieben Personen in den Dschihad zogen. Zwei von ihnen kehrten bereits zurück. Dieselben Präventionsfachleute, die gegen die Radikalisierung kämpfen, halfen auch bei der Wiedereingliederung, also bei der Suche nach einer Wohnung und Arbeit.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.