Bordelle in der Schweiz: Ein Ehepaar hat in den Kantonen Aargau, Solothurn, Luzern, Zürich und St. Gallen Bordelle betreiben. In den Etablissements arbeiteten Chinesinnen als Prostituierte. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete, die Frauen seien in den Bordellen ausgebeutet worden und illegal mit gefälschten Pässen in der Schweiz gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich mehrere Jahre Gefängnis gefordert. Doch das Bezirksgericht hat die Angeklagten in den Hauptanklagepunkten nun freigesprochen – dies wegen Verfahrensfehlern und Verjährung. Mittlerweile hat man im Aargau dazugelernt.
Vorwurf der Ausbeutung: Die Frauen seien finanziell ausgebeutet worden, schrieb die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Sie hätten für die Pässe mit Daten von Chinesinnen aus dem EU-Raum viel bezahlen müssen. Das Ehepaar soll das Geld für die Prostituierten «aufbewahrt» und teils ausgegeben haben. Die Chinesinnen hätten jederzeit für Freier zur Verfügung stehen und die Bordelle nicht ohne Erlaubnis verlassen dürfen. Angeklagt waren vor Gericht das Ehepaar und die Sekretärin des Betriebs. Die Ehefrau war wegen Förderung der Prostitution, Wucher und Urkundenfälschung angeklagt.
Aussagen der Angeklagten: Die 50-jährige Ehefrau, selber Chinesin, sagte wenig vor Gericht. Bei kritischen Fragen sagte sie oft, das sei in der Branche so üblich. Die 59-Jährige, die für die Büroarbeiten zuständig war, sagte, sie habe lange nicht gewusst, dass die Ausweise falsch seien. Sie habe sich gewundert, warum so viele der Chinesinnen aus Österreich gekommen seien. Sie betonte aber, dass die Prostituierten die Bordelle hätten verlassen dürfen.
Korrektur der Anklage: Kurz vor dem Prozess hat die Aargauer Staatsanwaltschaft den Strafantrag nach unten korrigiert: Statt vier bis fünf Jahre Gefängnis forderte sie eineinhalb bis drei Jahre Freiheitsstrafe, zum grossen Teil bedingt. Das Strafverfahren war von einer regionalen Staatsanwaltschaft geführt worden und nachträglich wurden Verfahrensmängel festgestellt. Gewisse Anklagepunkte galten als verjährt. Eine kurzfristige Änderung sei selten, sagt Adrian Schuler, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft: «Das ist ungewöhnlich. Im konkreten Einzelfall ist es, wie der Gerichtspräsident während der Urteilsverkündung sagte, schwierig, zwischen legalem und illegalem Bordellbetrieb zu unterscheiden. Beim Aufarbeiten mussten wir einiges berichtigen.»
Das Urteil: In den Hauptanklagepunkten wurden die drei Angeklagten freigesprochen. Wegen der gefälschten Ausweise kassierte die Ehefrau 18 Monate Freiheitsstrafe bedingt. Die Sekretärin erhält eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 Franken. Dem Ehemann und Bordellbesitzer konnte bei diesem Vorwurf keine Beteiligung nachgewiesen werden.
Die Lehren: Die kantonale Staatsanwaltschaft übernahm das Verfahren 2017 von der regionalen Staatsanwaltschaft. 2019 wurde dank fünf bewilligten Stellen die spezialisierte Fachabteilung Menschenhandel gegründet. Hier sind Staatsanwaltschaft, Polizei oder auch die Opferhilfe dabei. Adrian Schuler von der Aargauer Staatsanwaltschaft sagt: «Am Anfang fehlte das Spezialwissen. Das Verfahren zeigt, warum es diese Abteilung braucht». Ein solcher Fall, wie ihn das Bezirksgericht Kulm hier behandeln musste, würde heute dank der Fachabteilung ganz anders aufgezogen.