Vor 150 Jahren wurde die Firma Wander in Bern gegründet. Heute gehört sie einem britischen Unternehmen, produziert aber in Neuenegg bei Bern. Ihr bekanntestes Produkt: die Ovomaltine. Das Berner Getränk eroberte die Schweiz, aber auch den Weltmarkt.
Wir erzählen die Geschichte – unterteilt in die wichtigsten Etappen.
1. Wie alles begann
Wir befinden uns am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Firma Wander forscht an einem Kraftnährmittel. Eiweiss, Fett, Kohlenhydrate sollen im Nahrungsmittel vertreten sein. Malz soll es richten. «Georg Wander war ein Chemiker. Er beschäftigte sich mit pharmazeutischen Produkten. Die Ovomaltine war eines davon», erklärt Thomas Fenner, der die Geschichte von Schweizer Getränken aus Schokolade und Malz aufgearbeitet hat. Seine neuste Studie fokussiert auf die Ovomaltine.
Dass die Ovomaltine einmal ein weltweit bekanntes Nahrungsmittel wird, damit hat niemand gerechnet.
Das Produkt steht zu Beginn vor allem in den Regalen von Apotheken und wird beworben, als wäre es ein Arzneimittel: «Wenn ein Schwerkranker fast nichts mehr erträgt, so probiert es der Arzt noch mit Ovomaltine. Und häufig gelingt es damit, ihn zu nähren und zu kräftigen.»
Die Ovomaltine stärke, anstatt zu schwächen. Das propagierte auch die Reformbewegung. Es sei ein Ersatz für krankmachenden Kaffee, Tee oder Kakao.
2. Die Expansion
In Frankreich fand die Ovomaltine kaum Anklang. «In Frankreich mag man süsse, schokoladige Getränke lieber als das Malzgetränk Ovomaltine.» Doch in England funktionierte es.
«Bereits zwei Jahre nach der Lancierung wurde die Ovo in England verkauft», erklärt Thomas Fenner. «Das war für das kleine Unternehmen Wander natürlich sehr interessant, dass man ohne Zollgebühren in fast alle Gebiete des britischen Imperiums expandieren konnte.»
In England hiess das Getränk allerdings anders als in der Schweiz: Ovaltine. Fenner begründet: «Es wurde als englisches Produkt vermarktet. Fast niemand wusste, dass Ovomaltine aus der Schweiz kommt – im Gegensatz zum Beispiel zu Schweizer Schokolade, wo allen klar ist, woher sie kommt.»
Doch fast gleichzeitig mit dem Niedergang des britischen Imperiums sank auch die Nachfrage nach Ovomaltine nach dem Zweiten Weltkrieg. 1967 fusionierte Wander mit dem Pharmaunternehmen Sandoz.
3. Der Wendepunkt: Wie wird Ovo wieder cool?
Auch in der Schweiz musste die Ovomaltine auf veränderte Bedürfnisse reagieren. «Mit der 68er-Generation kam eine völlig neue Klientel, die völlig andere Präferenzen hatte», erklärt Thomas Fenner.
Die 68er wollten nicht mehr nur die «alte» Ovo, sondern auch Schoggi-Getränke: Nesquik, Caotina, Suchard Express und so weiter. Die Ovomaltine musste sich neu erfinden und mit knackigen Werbeslogans die junge Generation von sich überzeugen.
Häsch dini Ovo hüt scho gha?
«Ovomaltine wurde dadurch zum freizeitorientierten Kultprodukt der Nation
transformiert, das die Marke noch heute verkörpert.» Skifahrerinnen und Skifahrer tranken Ovomaltine, so auch Bernhard Russi.
4. Ovomaltine wird britisch
2002 schliesslich verkauft Novartis Ovomaltine an die Associated British Foods. Der Erlös betrug rund 400 Millionen Franken. «Das ist die Krux der Geschichte: Der britische Markt und der Zerfall des britischen Imperiums hat dann aber doch dazu geführt, dass die Ovomaltine in britische Hände fiel.»
Produziert wird Ovomaltine aber nach wie vor im bernischen Neuenegg. Doch getrunken wird sie auf der ganzen Welt.