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Gesundheitswesen im Tessin Warum ist das Gesundheitswesen im Südkanton so teuer?

Die Reaktionen auf den Prämienanstieg im Tessin sind heftig. Und man fragt sich: Wie lassen sich diese Kosten erklären?

Die Reaktionen auf den Prämienanstieg im Kanton Tessin fallen drastisch aus. Die Generalsekretärin des Konsumentenverbandes der Südschweiz (ACS), Antonella Crüzer, schreibt in der Tageszeitung «La Regione»: «Die Tessiner Versicherten leiden wie alle Schweizerinnen und Schweizer an allen Fronten an den Erhöhungen, dies aber mit deutlich tieferen Löhnen.» Das sei sehr beunruhigend, so Crüzer.

Für den Direktor von Pro Infirmis Ticino und Vizepräsidenten der SP Tessin, Danilo Forini, sind die erneuten Prämienerhöhungen ein Sinnbild für das Scheitern des sogenannten Wettbewerbs im Gesundheitswesen. Er plädiert deshalb für die Einführung einer Einheitskrankenkasse mit einkommensabhängiger Krankenkassenprämie, wie er ebenfalls in «La Regione» schreibt.

Ärzte wollen nicht schuld sein

Der Präsident der Tessiner Ärztevereinigung (OMCT), Franco Denti, zeigt sich empört über die erneute massive Prämienerhöhung und sagt gleichzeitig, dass diese Erhöhung nicht zu erklären sei. Er weist denn auch die Kritik zurück, wonach im Tessin die Zahl der Ärzte der Grund für die hohen Krankenkassenprämien sein sollen. Er verweist auf die Abstimmung am 24. November und wirbt für das Efas-Projekt. Dieses biete eine grosse Chance, die Prämien zu senken.

Ein Mann richtet eine Lampe in einem Operationssaal
Legende: Die Gesundheitskosten im Tessin stehen unter spezieller Beobachtung. Keystone/Micheal Buholzer

Auch der Tessiner Gesundheitsvorsteher Raffaele De Rosa zeigt sich besorgt und spricht von einem «sehr harten Schlag» für die Bevölkerung des Kantons. Die Kosten seien in diversen Bereichen gestiegen, so unter anderem jene für Physiotherapie und jene für Spitexdienste, begründet der Gesundheitsvorsteher. Dies hat auch mit der demografischen Altersstruktur der Bevölkerung zu tun: Fast jede vierte Person im Kanton ist über 65 Jahre alt.

Ausbau-Stopp von Spitex-Diensten

Box aufklappen Box zuklappen

Der Tessiner Grosse Rat stimmte vor knapp zehn Tagen als erster Kanton einer Zulassungsbeschränkung von Spitexorganisationen zu. Hintergrund der Massnahme ist eine Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG). Der am 1. Juli in Kraft getretene neue Artikel 55b erlaubt den Kantonen, ein Moratorium für die Erteilung neuer Betriebsbewilligungen an Spitexorganisationen einzuführen.

Dazu kommt, wie SRF-Tessinkorrespondent Iwan Santoro sagt, dass die Dichte an Spitälern sehr hoch sei. Und: «Spitalschliessungen sind hier tabu.»

Neben einer hohen Spital- und Ärztedichte gibt es im Tessin auch so viele Apotheken wie sonst nirgends in der Schweiz.

Zum Vergleich: Der Landesdurchschnitt an Apotheken liegt bei 21 Apotheken pro 100'000 Einwohnerin oder Einwohner, im Tessin sind es 58 Apotheken, also fast dreimal so viele wie im Durchschnitt.

Jede dritte Person erhält Prämienverbilligung

Der Tessiner Gesundheitsvorsteher De Rosa befürchtet, dass die Anzahl von Personen, die eine Krankenkassenverbilligung benötigen, zunehmen.  Derzeit erhalte knapp eine von drei Personen Prämienverbilligung, insgesamt seien dies 110'000 Personen, hielt der Tessiner Gesundheitsdirektor fest.

Wie Iwan Santoro sagt, laufen im Kantonsrat Bestrebungen, die Prämienverbilligungen fürs nächste Jahr zu reduzieren, da der Kanton Tessin ein rigides Sparpaket durchziehen will. Der Kanton rechnet für 2025 mit einem Defizit von 64 Millionen Franken.

Allerdings dürften der Vorschlag, die Prämienverbilligungen für die Krankenkassen zu vermindern, im Kantonsparlament kaum eine Chance haben, sagt Santoro.

Heute Morgen, 27.09.2024, 6 Uhr ; 

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