Gelbe und rosarote Punkte prangen am Montagmorgen an der Fassade der UBS-Filiale an der Bahnhofstrasse. Aus der offiziellen Demonstration zum 1. Mai fliegen mit Farbe gefüllte Glasflaschen gegen die Fassade.
Die «Rundschau» konfrontiert Lorenz Keller, den Chef des Zürcher Gewerkschaftsbundes. Er findet den Farbanschlag zwar unerfreulich, aber man müsse die Relationen wahren. «Ich finde es wichtig zu sehen, dass hier etwa 10'000 Leute für anständige Löhne demonstrieren.» Ähnlich sieht es Nicola Siegrist, Präsident der Juso Schweiz. Gewalt sei nicht seine Methode, aber dass immer nur über Gewalt gesprochen werde, nerve ihn als Linken.
Jenen, die Gewalt scharf verurteilen, wirft Siegrist Heuchelei vor. «Es gibt so viel Gewalt auf dieser Welt, zu der sie einfach nichts sagen. Und wenn etwa bei der Credit Suisse eine Scheibe rot angemalt wird, geht die Welt unter. Das kann ich nicht ernst nehmen.»
Demo-Besucher zeigen wenig Verständnis
Die Menschen auf der Strasse in Zürich zeigen kaum Verständnis für Gewalt als politisches Mittel. Die Rundschau spricht mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demonstration. So sagt eine Frau etwa, dass Demonstrieren nichts mit Gewalt zu tun habe. Man solle auf andere Art zeigen, dass man nicht einverstanden sei. Ein junger Mann findet gar, man solle die gewaltbereiten Kräfte von linken Demonstrationen ausschliessen.
Nur wenige zeigen Verständnis für die Vorgänge am Rande der offiziellen Demonstration. Ein älterer Herr erläutert, «die grösseren Krawallanten sind die, die Banken in den Ruin treiben oder den Klimaschutz behindern». Ein bisschen Krawall der Jungen sei in Ordnung.
Besondere Situation in Basel
In Basel wollte die SP Bilder wie in Zürich an diesem 1. Mai vermeiden. Sie forderte einen Demo-Konsens, der Gewalt und Sachbeschädigung ausgeschlossen hätte. Medien schrieben vom Ausschluss des sogenannten «Schwarzen Blocks» von der Demonstration. Der Konsens scheiterte im 1.-Mai-Organisationskomitee.
An der Demonstration kommt es dann doch zu einer Trennung zwischen den Gewerkschaften und Parteien auf der einen Seite und Linksaussen auf der anderen Seite. Zwischen den Blöcken steht plötzlich die Polizei. Diese kesselt die Spitze des Umzugs mit dem sogenannten «Schwarzen Block» kurz nach Beginn der bewilligten Demonstration ein. Die Polizei habe die vermummten Teilnehmenden einer Personenkontrolle unterziehen wollen, schreibt sie in einer Medienmitteilung am Abend.
Polizeieinsatz bringt Linke zusammen
Auf den wenigen 100 Metern bis zur Einkesselung fanden keine Sachbeschädigungen statt. Trotzdem greift die Polizei hart ein und setzt auch gegen die Demonstrierenden ausserhalb des Kessels Reizstoff ein. Die Demonstration vor der Polizeiabsperrung solidarisiert sich mit den Eingekesselten.
Die Basler Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (LDP) findet, die Diskussion über Gewalt müsse auch unter den Demo-Teilnehmenden geführt werden. Es brauche auch einen Dialog zwischen Demonstrierenden und den Behörden, aber auch ein Bekenntnis innerhalb der Demonstrierenden, wen man mitlaufen lassen wolle.
Nicola Goepfert vom Organisationskomitee der 1.-Mai-Demonstration sagt, man könne niemandem verbieten, an eine Demonstration zu kommen. «Wir haben zu einer friedlichen Demo aufgerufen. Bisher ist nichts passiert, ausser, dass wir Polizeigewalt erleben müssen.» Auch die SP verurteilt den Polizeieinsatz in einer Mitteilung scharf. In Basel scheinen sich am 1. Mai die Reihen der Linken zu schliessen.