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Gotthard Meyer: «Das Gotthardprinzip ist etwas ganz Neues»

Heute wird der Gotthard Basistunnel eingeweiht und an die SBB übergeben. Künftiger Hausherr des Tunnels ist damit SBB-Chef Andreas Meyer. Für ihn ist der heutige Tag ein Freudentag.

SRF News: Herr Meyer, heute wird der Tunnel der SBB übergeben. Worüber freuen Sie sich am meisten?

Andreas Meyer: Darüber, dass es endlich losgeht. In 193 Tagen ist Fahrplanwechsel, da muss alles klappen. Aber ich bin auch etwas gespannt, denn über 2500 Mitarbeitende und mehrere Mitarbeitende des Bundes sind heute im Einsatz, damit alles klappt, mit dieser doch komplexen Feier und den Zugfahrten hin und her.

Es war ein bewusster Entscheid, den Verkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern

Die meisten Leute, die jetzt gerade im Zug sitzen, tun dies irgendwo in der Schweizer Agglomeration. Viele dieser Züge sind überlastet. Wir aber haben in den Alpen investiert. War das richtig?

Tunnelgeschichten

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Es ist eine eigene Welt untertags. «DOK» zeigt Menschen im Berg: Tunnelbauer, Ingenieure und Schatzsucher – Gesichter des Gotthards.

Das war ein Volksentscheid im Jahr 1994. Es war ein bewusster Entscheid, den Verkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Wir wissen, dass zwei Drittel der Schienenkapazitäten für den Eisenbahn-Güterverkehr reserviert wird. Dieses Gotthardprinzip ist etwas ganz Neues, das wir auf die ganze Schweiz übertragen.

Wir haben aber auch gestern zusammen mit unseren Nachbarn ein trinationales Angebot für den Personenverkehr beschlossen. Ab 2017 soll es direkte Züge von Frankfurt über Luzern via Tessin nach Milano und von Milano übers Wallis via Bern nach Frankfurt geben. Und wenn man schaut, wie sich die neuen Bahnhöfe präsentieren in Bellinzona und in Lugano, dann machen wir schon dort etwas, wo die Bahn stark ist: bei den langen Distanzen – mit hohen Kapazitäten für den Güter-und Personenverkehr.

Schwach ist die Bahn aber bei den Kosten. Wir haben Milliarden ausgegeben für die Infrastruktur. Gewinn wird dieser Tunnel aber wohl nie schreiben?

Bauwerke haben ihren Preis, und diese Kosten kann man auch nicht an die Kunden weitergeben. Es ist so, dass wir im Gotthardbasistunnel etwa einen Kostendeckungsgrad von 20 Prozent haben, wenn man die Abschreibungen pro Jahr, das sind 220 Millionen Franken sowie den Unterhalt den Einnahmen aus den Trassenmieten gegenüberstellt.

Bahnfahren ist hoch subventioniert, jedes Billet zu mehr als der Hälfte. Der neue Tunnel kann also für die Billetpreise nichts Gutes bedeuten?

Nein, ganz im Gegenteil. Wir haben ja riesige Produktivitätssteigerungen im Güterverkehr, bis zu 40 Prozent der Produktionskosten werden reduziert. Hier stellt sich die Frage, ob man einen kleinen Preisaufschlag macht für die Benutzung der Trassen im Güterverkehr. Das ist aber heute überhaupt nicht spruchreif. Man muss das auch in der Perspektive des Schweizer Tarifsystems sehen. Da gibt es viele Postautostrecken, die auch einen kleinen Kilometerzuschlag haben. Aber es handelt sich da um marginale Grössen.

Andreas Meyer

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Meyer ist Manager und Jurist. Seit 2007 ist er der Chef der Geschäftsleitung der SBB. Von 1997 bis 2006 arbeitete Meyer in verschiedenen Positionen bei der Deutschen Bahn. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Der Basistunnel ist jetzt gebaut. Die Anschlüsse im Süden und vor allem im Norden sind noch nicht fertig. Feiern wir nicht zu früh?

Natürlich wären wir froh, wenn vor allem die Anschlüsse im Norden schon bereit wären. Wir haben gestern von der DB nicht die besten Nachrichten erhalten. Man muss aber berücksichtigen, dass auch wir in der Schweiz ab und zu wieder Einspracheverfahren unterworfen sind. Wir müssen auch Linien ändern und das ist auch der deutschen Bahn widerfahren. Im Süden hingegen haben wir aufgrund eines Arbeitsprogramms, das wir 2012 mit den Italienern vereinbart haben, sehr gute Fortschritte gemacht. Italien wird bereit sein, wenn wir den Ceneri-Tunnel in Betrieb nehmen können.

Selbst wenn die Anschlüsse stehen. Das Preisproblem auf der Schiene bleibt. Bahntransport ist sehr teuer, der Lastwagen derzeit viel billiger.

Immerhin, im Schienengüterverkehr haben wir 44 Prozent mehr Kapazität und eine deutlich erhöhte Produktivität. Aber wir haben schon unterschiedliche Rahmenbedingungen. Wir haben sehr gute Arbeitsverträge, einen Gesamtarbeitsvertrag, der den geforderten Kompetenzen Rechnung trägt. Auf der Strasse hat man Rahmenbedingungen, die nicht nicht vergleichbar sind. Wir haben auch ganz hohe Sicherheitsauflagen, was unseren Betrieb sicher und unökologisch macht, aber auch teurer. Deshalb haben wir am Treffen mit den Verkehrsministerin und der EU-Kommissarin Bulic deutlich gemacht, dass wir auch einen politischen Rahmen brauchen, der gleiche Bedingungen schafft für alle Verkehrsträger.

Das Schweizer Volk und die Verkehrspolitik kann stolz sein auf ein solches Werk

Wenn wir zusammenfassen: Brauchen Sie in Zukunft also noch mehr Subventionen vom Bund?

Ja, auf der einen Seite bekommen wir mehr Geld, bei diesem Kostendeckungsgrad. Auf der anderen Seite ist auch geplant, die Subventionen im Eisenbahngüterverkehr mit der Inbetriebnahme des Ceneri-Tunnels zu reduzieren. Das Schweizer Volk und die Verkehrspolitik kann stolz sein auf ein solches Werk, das Schweizer Werte wie Innovation, Präzision und Zuverlässigkeit symbolisiert. Da fallen uns solche Gespräche sicher noch leichter.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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