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Grenzenlose Arbeitslosenhilfe Wer die Leute anstellt, soll auch die Krise berappen

Bald soll die Schweiz für arbeitslose Grenzgänger aus den Nachbarstaaten bezahlen. Nichts als recht oder sogar logisch?

Die Arbeitsminister der EU wollen neue Regeln für die Arbeitslosenversicherung einführen. Das könnte die Schweiz schon bald viel Geld kosten – wegen der 310'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die in der Schweiz arbeiten. Sie erhalten das Arbeitslosengeld bisher von ihrem Wohnland, also Frankreich, Deutschland oder Italien.

Neu soll aber die Schweiz als Arbeitsland für die arbeitslosen Grenzgänger verantwortlich werden. Grosse Auswirkungen hätte das vor allem für die französischen Gemeinden in der Genferseeregion, aus welchen jeden Tag über 100'000 Grenzgänger in die Schweiz arbeiten kommen.

Umtriebige Agglomeration Grand Genève

Ein Beispiel ist das französische Grenzgängerdorf Saint-Julien-en-Genevois, keine zehn Kilometer vom Genfer Stadtzentrum entfernt. Früher ein französisches Dörfchen, ist es heute Teil der Agglomeration Grand Genève. Mit vielen frisch gebauten Wohngebäuden und Supermärkten für die Schweizer, die hier ihre Einkäufe machen.

Zehntausende kommen täglich aus Frankreich
Legende: Zehntausende kommen täglich aus Frankreich, um in der Schweiz zu arbeiten. Keystone/Archiv

Von Saint-Julien aus gehen 4000 Frontaliers täglich über die Grenze in die Schweiz arbeiten. Jeder vierte von ihnen hat auch den Schweizer Pass. Wenn Grenzgänger – egal ob Franzose oder Schweizer – arbeitslos werden, kostet das die französische Arbeitslosenversicherung viel Geld, denn die Arbeitslosengelder werden auf das Schweizer Lohnniveau berechnet.

Riesenunterschiede im Krisenfall

Der Bürgermeister von Saint-Julien, Antoine Vielliard,nennt das Beispiel einer Krankenschwester: «Wenn die Genfer Universitätsspitäler eine Krankenschwester aus Frankreich abwerben und sie nach dem Genfer Engagement arbeitslos wird, erhält sie dreimal so viel wie eine Krankenschwester im Spital von Saint-Julien – und das, ohne zu arbeiten.»

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Legende: Antoine Vielliard: Frontaliers zahlen auch in die Schweizer Arbeitslosenversicherung ein.» ZVG

Teures Grenzgebiet

Vielliard macht klar: Arbeitslose Grenzgänger müssten in der Schweizer Arbeitslosenversicherung bleiben. Nicht nur das höhere Lohnniveau, sondern auch die Lebenskosten im französischen Grenzgebiet müssten berücksichtigt werden: «Sie müssen im Schweizer System bleiben, die Immobilienpreise hier sind auf Schweizer Niveau, ihre Karriere ist in der Schweiz.»

Es ist logischer, wenn sie im Schweizer System bleiben.
Autor: Antoine Vielliard Bürgermeister von Saint-Julien

Der Ausgleich der Kosten ist im Grand Genève seit langem ein Thema. Vielliard kennt die Schweiz gut und beobachtet auch die Debatte zur Masseneinwanderungsinitiative. In Saint-Julien beobachte man genau das Gegenteil: Genfer, die keine Wohnung mehr finden, zögen ins französische Grenzgebiet.

Genfer, die keine Wohnung mehr finden, ziehen ins französische Grenzgebiet.
Autor: Antoine Vielliard Bürgermeister von Saint-Julien

Das rasante Wachstum führt auch zu Problemen, wie sich in einem Neubauquartier in Saint-Julien zeigt. Für ein neu entstandenes Quartier mit 1000 Einwohnern werden zwei Schulen gebaut. Aber wenn der Bau fertig ist, reicht das schon nicht mehr aus. Das Grenzgebiet hat also hohe Kosten zu tragen.

Vielliard:«Kohäsisionsmilliarde der EU an die Schweiz»

Eines ärgert den französischen Bürgermeister dabei besonders: Wenn Frontaliers in der Schweiz arbeiten, zahlen sie über die Lohnabzüge Beiträge in die Schweizer Arbeitslosenversicherung ein. Wenn sie arbeitslos werden, bezahlt die Schweiz bisher bestenfalls die ersten Monate. Die Grenzgänger bezahlen also insgesamt mehr in die Schweizer Arbeitslosenkasse ein, als sie beziehen.

Vielliard nennt das die «jährliche Kohäsionsmilliarde der EU an die Schweiz». Und dafür will er etwas zurück und erwartet als Entlastung den Systemwechsel bei der Arbeitslosenversicherung. Noch ist die Änderung auf EU-Ebene nicht beschlossen. Der Bürgermeister rechnet aber fest damit, dass das EU-Parlament den Änderungen zustimmen wird. In den Grenzregionen wie Genf wird das noch viel zu reden geben.

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