Zum Inhalt springen

Grenzschliessung zu Italien Schlagbaum runter im Tessin

Drei Grenzübergänge im Tessin werden zeitweise geschlossen. Das beruhigt die Anwohner, aber hilft das tatsächlich?

Giusi Olivieri ist zufrieden. Sie lebt nur unweit der Grenze zu Italien und hat sich an vorderster Front für das Anliegen einiger Anwohner eingesetzt. Ihr Ziel: Mehr Sicherheit, ruhiger schlafen. «Für uns ist es seit Jahren so, als sei die Türe immer offen. Dabei schliesst jeder bei sich zu Hause die Türe ab. Das ist die normalste Sache der Welt.» Nun ist die Türe oder besser die Grenze zu, jeweils von 23 Uhr abends bis 5 Uhr morgens. Geschlossen wird der Schlagbaum in Pedrinate, Novazzano-Marcetto und Ponte Cremenaga.

Mehr Kriminalität in Grenznähe

Unterstützung erhielten die Anwohner von Roberta Pantani, Lega-Nationalrätin und Vizepräsidentin der Gemeinde Chiasso, zu der auch Pedrinate gehört. Ihre Motion im Nationalrat hatte zusammen mit der Petition der Anwohner und einem Brief an Bundesrat Ueli Maurer den Versuch möglich gemacht. Pantani sagt, ihr gehe es darum, die Raubüberfälle und Diebstähle, die gerade in den Grenzorten oft vorkämen, einzudämmen.

Tatsächlich verzeichnen die Gemeinden im Grenzraum mehr solche Delikte als beispielsweise der nördlichen Kantonsteil. Hingegen finde die Mehrzahl der Einbrüche und Diebstähle nicht zu jener Tageszeit statt, während der nun die Grenze geschlossen wird, sagt die Tessiner Kantonspolizei.

Das Beste wäre die Besetzung der Grenze mit Grenzwächtern. Und in der Nacht die Grenze zu schliessen, basta.
Autor: Lara Dionisio Anwohnerin

Es ist vorerst ein Versuch für sechs Monate, gestartet am 1. April. Nun ist also Halbzeit. Lara Dionisio, die selber nahe der Grenze wohnt, hat die Petition ebenfalls unterschrieben. Dies, weil sie die existierenden Massnahmen zur Sicherung der Grenze nicht überzeugt hätten: «Sie sagen zwar, es gäbe Videokameras. Aber das Beste wäre die Besetzung der Grenze mit Grenzwächtern. Und in der Nacht die Grenze zu schliessen, basta.»

Proteste in Italien

Anders sehen das die italienischen Nachbarn. Die Bürgermeister der grenznahen Gemeinden berichten übereinstimmend, dass sie von Schweizer Seite offiziell nicht über die nächtlichen Schliessungen informiert worden seien. Sie halten die Massnahme für unnötig.

Protestiert haben sie mit einer Menschenkette, ohne Worte. Davide Brienza, Vizebürgermeister von Ronago (I), beschreibt sein Gefühl so: «Wenn man heute die Grenze schliesst, heisst das nichts anderes als die Beziehung zu Nachbarn und Freunde jenseits der Grenze zu kappen. Wir arbeiten hier jeden Tag zusammen, wir leben zusammen. Und wir lieben uns über die Grenze hinweg; viele von uns haben Schweizer geheiratet und umgekehrt.»

«Die Massnahme bringt höchstens ein wenig Erleichterung (für die Anwohner) – genau wie die Einnahme eines Aspirins bei Kopfschmerzen.»
Autor: Mauro Antonini Kommandant des Grenzwachtkorps

Auch aus dem Grenzwachtkorps selber sind kritische Stimmen zu hören. Der Kommandant des Grenzwachtkorps im Tessin, Mauro Antonini, sagte in einem Interview mit der Tageszeitung «Corriere del Ticino»: «Die Massnahme bringt höchstens ein wenig Erleichterung (für die Anwohner) – genau wie die Einnahme eines Aspirins bei Kopfschmerzen.»

Das Sicherheitsniveau an der Grenze sei in Wirklichkeit sogar gestiegen, nehme man alle Massnahmen zusammen. Vor der Kamera wollte sich allerdings niemand des Grenzwachtkorps Region IV-Lugano äussern.

David Marquis, Sprecher bei der Eidgenössischen Zollverwaltung in Bern, sagt gegenüber SRF, die versuchsweise Schliessung der drei Grenzübergänge laufe bisher ohne Probleme. Es müsse dafür nicht mehr Personal eingesetzt werden, so dass auch keine Mehrkosten entstünden. Nach Ablauf der Probephase werde ein Bericht zuhanden des Bundesrates verfasst.

Mehr Informationen zum Verlauf des Tests gibt es nicht. Zum Beispiel darüber, auf welche anderen Arbeiten die Grenzwächter nun verzichten müssen. Immerhin fahren sie im Moment zweimal täglich an drei verschiedene Orte, um einen Schlagbaum zu schliessen und wieder zu öffnen.

Meistgelesene Artikel