Die Ausgangslage: Die Deponie Gamsenried im Kanton Wallis ist die grösste und komplexeste Altlasten-Deponie der Schweiz. Mit ihrer Fläche von rund 40 Fussballfeldern ist sie viermal grösser als die Deponie Kölliken im Aargau. Während mehrerer Jahrzehnte wurden hier chemische Abfälle deponiert, darunter Quecksilber, Anilin, Benzidin sowie Benzol. Betrieben wurde sie vom Pharmakonzern Lonza. Die Deponie liegt an einem strategisch wichtigen Ort, zwischen Brig und Visp. Also dort, wo die Rhone besonders eng ist und die Autobahn, die Kantonsstrasse, die Bahnlinie und eine Hochspannungsleitung das Gelände durchqueren.
Das Problem: Die Schadstoffe gelangen teilweise ins Grundwasser. Unter anderem auch das hochgiftige Benzidin, das Krebs erregen kann. Deshalb muss die Lonza gemeinsam mit dem Kanton Wallis die Deponie und die kontaminierten Böden rundherum sanieren. Beim Kanton kümmert sich die Dienststelle für Umwelt um die Sanierung. Die Kosten jedoch soll zu einem Grossteil die Lonza übernehmen. Für die erste Projektphase der Sanierung hat der Pharmakonzern vor vier Jahren 290 Millionen Franken zurückgestellt.
Es geht darum, potenzielle finanzielle Risiken zu minimieren.
Deshalb hat sich die Eidgenössische Finanzkontrolle eingeschaltet: Mehrere Akteure des Bundes sind in diese Sanierung involviert. Insbesondere das Bundesamt für Umwelt, das die Oberaufsicht bei den Altlastensanierungen hat, aber auch das Bundesamt für Strassen, das ungefähr ein Drittel des belasteten Bodens besitzt, und das Bundesamt für Verkehr. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hat nun das Management dieser Sanierung geprüft, und zwar aus Sicht des Bundes: «Es geht darum, potenzielle finanzielle Risiken zu minimieren», sagt Mischa Waber, Fachbereichsleiter bei der EFK. Sprich, die Finanzkontrolle will verhindern, dass der Bund bei dieser Sanierung zu viel zahlen muss.
Die Erkenntnisse: Laut dem Bericht der EFK gibt es keine Gesamtübersicht über die Risiken und keine koordinierte Aufsicht durch die verschiedenen involvierten Bundesstellen. Jede Stelle informiere sich nur dann über das Projekt und werde nur dann tätig, wenn sie dazu aufgefordert werde. «Diese Vorgehensweise verunmöglicht ein koordiniertes und abgestimmtes Handeln von Seiten des Bundes», heisst es im Bericht.
Die Forderungen: Die EFK fordert nun eine Gesamtübersicht und eine Aufsicht auf Bundesebene. Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), zu dem alle involvierten Bundesstellen gehören, soll eine umfassende Risikoanalyse machen. Auf dieser Grundlage soll dann ein Aufsichtskonzept mit klaren Verantwortlichkeiten entstehen.
Die Reaktion: Das Uvek schreibt in einer Stellungnahme innerhalb des EFK-Berichts, man sei bereit, das Geschäft künftig enger zu begleiten. Ausserdem solle das Bundesamt für Umwelt eine proaktive Rolle einnehmen und die Gesamtkoordination für das Dossier wahrnehmen.
Der aktuelle Stand der Sanierung: Obwohl der Kanton Wallis die Lonza bereits 2011 dazu aufgefordert hat, die Altlasten in Gamsenried dringend zu sanieren, liegt noch kein Gesamtsanierungsprojekt vor. Eine erste Massnahme wird nun umgesetzt: der Bau einer Dichtwand, die im Juni 2024 angekündigt wurde. 1.3 Kilometer lang und über 30 Meter tief soll sie werden. Im Wesentlichen soll sie die Deponie vom restlichen Grundwasser im Rhonetal abschotten. Laut EFK soll nun diese Wand gebaut werden können – nach mehreren Verschiebungen.